Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
angewurzelt stehen. Seine Gedanken überschlugen sich. »Das war ein toller Trick«, sagte einer der Neuankömmlinge – ein kleiner, untersetzter Mann mit schwarzsilbernem Bart. »Ich habe noch nie gesehen, wie ein Pfeil im Flug durchschnitten wurde. Und ich hätte nie geglaubt, daß ein Mann sich so schnell bewegen kann.«
Kiall warf noch einen Blick auf den Pfeil und holte tief Luft. »Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr euch zeigen würdet«, sagte er, selbst überrascht, daß seine Stimme kühl und gelassen klang.
»Ich habe ihm nicht befohlen zu schießen«, sagte der Anführer der Nadren.
»Das interessiert mich nicht«, erwiderte Kiall hochmütig. »Was wollt ihr hier?«
»Etwas zu essen. Das ist alles.« Kiall sah, wie die Augen des Mannes nach rechts zuckten, und warf einen Blick zurück. Maggrig stand in der Tür der Hütte, den Bogen in den Händen, einen Pfeil auf der Sehne. Ein unbehagliches Schweigen entstand. Die Nadren waren angespannt; ihre Hände ruhten an den Waffen. Ein Krieger stellte sich neben den Anführer und flüsterte ihm etwas zu, das Kiall nicht hören konnte. Der Anführer nickte und sah Kiall an.
»Du warst einer der Schwertkämpfer in der Stadt. Du warst mit dem großen Mann zusammen – dem Eiskrieger.«
»Ja«, gab Kiall zu. »Das war ein Kampf, was?«
»Er hat uns in Stücke gehauen. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Er ist sehr gut«, sagte Kiall, »aber ein harter Lehrmeister für einen Studenten wie mich.«
»Er ist dein Schwertmeister?«
»Ja. Der beste, den man finden kann.«
»Jetzt verstehe ich, wieso du einen Pfeil im Flug zersplittern kannst.« Der Nadren breitete die Hände aus. »Nun gut. Da wir entweder kämpfen oder hungern müssen, ist es wohl an der Zeit, daß wir unsere Fähigkeiten messen.« Er zog sein Kurzschwert aus der Scheide an seiner Hüfte.
»Ist das klug?« gab Kiall zu bedenken. »Vier von euch sind verwundet. Es scheint mir kein sonderlich fairer Wettstreit zu sein – und Krieger sollten um Wertvolleres als um einen Topf Suppe kämpfen.«
Der Mann schwieg einen Moment; dann lächelte er Kiall an. »Du würdest uns hineinlassen?« fragte er leise.
»Selbstverständlich«, antwortete Kiall. »Aber als Zeichen eures guten Willens müßt ihr natürlich eure Waffen hierlassen.«
»Ha! Und was würde dich dann hindern, uns niederzumachen?«
»Was hindert mich jetzt?« entgegnete Kiall.
»Du bist ein arroganter junger Schnösel«, fauchte der Anführer. »Aber da ich dich in Aktion gesehen habe, hast du wohl das Recht dazu.« Er stieß sein Schwert wieder in die Scheide, schnallte seinen Gürtel ab und ließ die Waffe zu Boden fallen. Die anderen Nadren folgten seinem Beispiel. »Und wo ist jetzt die Suppe?« Kiall schob seine Klinge in die Scheide und deutete auf die Hütte. Maggrig trat einen Schritt zurück ins Innere. Kiall holte tief Luft, um sich zu beruhigen; dann folgte er den Kriegern.
Zuerst war die Atmosphäre in der Hütte gespannt. Maggrig saß auf dem Bett und schärfte ein Jagdmesser mit langen, knirschenden Strichen an einem Wetzstein, während Kiall die Suppe austeilte. Sie war noch nicht ganz gar, doch die Nadren verschlangen sie gierig. Einer der Männer schien schwächer zu sein als die anderen. Er hatte eine Wunde an der Schulter, die dick verbunden war. Dennoch sickerte ständig Blut hindurch. Kiall ging zu ihm. »Laß mich das mal sehen«, bat er. Der Nadren klagte nicht, als Kiall sanft den Verband abnahm. Das Fleisch klaffte auseinander; die Wunde war angeschwollen und gerötet. Kiall legte den Verband wieder an und nahm ein paar Kräuter aus seinem Bündel. Er wählte die Blätter aus, die er brauchte, und ging wieder zu dem Mann.
»Was ist das?« fragte der Krieger. »Sieht aus wie Unkraut.«
»Es hat viele Namen«, erklärte Kiall. »Meist wird es Fetthenne genannt. Man füttert Hühner damit.«
»Ich bin doch kein Huhn!«
»Es heilt auch schwärende Wunden. Aber es ist deine Entscheidung.«
»Bist du Arzt?« fragte der Anführer.
»Ein Krieger muß sich auch mit Wunden auskennen, und wie man sie behandelt«, erwiderte Kiall.
»Laß ihn«, sagte der Anführer, und der Krieger lehnte sich wieder zurück, doch seine dunklen, schrägstehenden Augen blieben fest auf Kialls Gesicht gerichtet, und der junge Mann spürte den I laß in diesem Blick. Er drückte die Hautlappen aneinander und nähte die Wunde. Dann legte er die Blätter darauf. Maggrig brachte ein Stück Leinen für einen neuen Verband, den
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