Die Drenai-Saga 5 - Im Reich des Wolfes
einen Bronzespiegel und einen Elfenbeinkamm. Matze Chai neigte den Kopf zurück, und Luo kämmte sorgfältig den langen Bart seines Herrn, teilte ihn in der Mitte und flocht ihn mit kundigen Fingern. »Wo hast du den Mann gelassen?« fragte er.
»In der Bibliothek, Herr. Er bat um etwas Wasser.«
»Ah, Wasser!« Matze Chai lächelte. »Ich ziehe mich selbst an. Sei so gut und geh in mein Arbeitszimmer. Im dritten Schrank vom Gartenfenster aus gesehen findest du einige Pergamente, ich glaube, in rotes Papier eingewickelt und mit blauem Band zusammengebunden. Bring sie so rasch wie möglich in die Bibliothek.«
»Soll ich die Wache rufen, Herr?«
»Warum?« fragte Matze Chai. »Sind wir in Gefahr?«
»Er ist ein rauher, gewalttätiger Mann. Ich kenne mich mit solchen Dingen aus.«
»Die Welt ist voll von rauhen, gewalttätigen Männern. Und trotzdem bin ich noch immer reich und in Sicherheit. Mach dir keine Sorgen, Luo. Tu einfach, um was ich dich gebeten habe.«
»Ja, Herr. Rotes Papier. Dritter Schrank vom Fenster.«
»Mit blauem Band umwickelt«, erinnerte Matze Chai ihn. Luo verbeugte sich und verließ rückwärts das Zimmer. Matze Chai streckte sich, stand auf, ging zu seinem Kleiderschrank und wählte ein vorn offenes Gewand aus schimmerndem Purpur, das er in der Taille mit einer goldenen Schärpe gürtelte. In Pantoffeln aus feinstem Samt stieg er die Wendeltreppe hinunter in die langgestreckte, mit kostbaren Teppichen ausgelegte Eingangshalle und von dort in die Bibliothek.
Sein Gast saß auf einem seidenbezogenen Sofa. Er hatte ein schmutziges Sathuligewand und einen Burnus abgelegt; seine Kleider aus schwarzem Leder trugen deutliche Spuren der Reise und waren staubig. Neben ihm lag eine kleine schwarze Armbrust.
»Willkommen in meinem Heim, Dakeyras«, sagte Matze Chai mit einem breiten Lächeln.
Der Mann lächelte zurück. »Ich würde sagen, du hast mein Geld gut angelegt – wenn ich mir die Antiquitäten hier anschaue.«
»Dein Vermögen ist sicher und wächst zusehends«, erklärte Matze. Er setzte sich auf das Sofa gegenüber seinem Gast, nachdem er zuvor das übelriechende Sathuligewand mit spitzen Fingern aufgehoben und zu Boden hatte fallen lassen. »Ich sehe, du reist in Verkleidung.«
»Manchmal ist das ratsam«, erwiderte sein Gast.
Luo erschien mit den Schriftrollen und Kontobüchern. »Leg sie auf den Tisch«, bat Matze. »Oh … und nimm das hier mit«, fügte er hinzu und berührte die Gewänder mit der Spitze seines Samtpantoffels. »Bereite ein heißes Duftbad im unteren Gästezimmer vor. Schicke nach Ru Lai und sag ihr, daß wir einen Gast haben, der eine Massage mit warmen Öl braucht.«
»Ja, Herr«, antwortete Luo, nahm die Sathulikleider und zog sich zurück.
»Und nun, Dakeyras, möchtest du deine Konten prüfen?«
Der Mann lächelte. »Immer einen Schritt voraus, Matze. Woher wußtest du, daß ich es war?«
»Ein mitternächtlicher Gast, der Luo Angst einjagt und um ein Glas Wasser bittet? Wer sollte das sonst sein? Wie ich hörte, ist wieder mal ein Preis auf deinen Kopf ausgesetzt. Wen hast du jetzt beleidigt?«
»Praktisch jedermann. Aber Karnak hat den Preis ausgesetzt.«
»Dann dürfte es dich freuen zu hören, daß er zur Zeit in den Verliesen in Gulgothir schmachtet.«
»Ich habe davon gehört. Was gibt es hier sonst Neues?«
»Der Preis für Seide ist gestiegen. Und für Gewürze. Du hast Geld in beidem angelegt.«
»Ich habe nicht die Märkte gemeint, Matze. Was gibt es Neues aus Drenai?«
»Die Ventrier hatten einigen Erfolg. Sie haben Skeln gestürmt, wurden aber in Erekban zurückgeschlagen. Doch ohne Karnak werden sie den Krieg mit Sicherheit verlieren. Zur Zeit sind die Feindseligkeiten eingestellt. Die Ventrier halten das Terrain, das sie erobert haben, und eine Gothirarmee lagert in den Delnochbergen. Die Kampfhandlungen sind unterbrochen. Niemand weiß, warum.«
»Ich könnte raten«, sagte der Gast. »In allen drei Lagern befinden sich Ritter der Bruderschaft. Ich glaube, es wird noch ein ganz anderes Spiel gespielt.«
Matze nickte. »Du könntest recht haben, Dakeyras. Zhu Chao hat in den letzten Monaten viel Macht gewonnen. Erst gestern wurde ein Dekret des Kaisers bekanntgegeben, das zwar das kaiserliche Siegel, aber Zhu Chaos Unterschrift trug. Unruhige Zeiten. Aber das sollte das Geschäft nicht beeinträchtigen. Wie kann ich dir helfen?«
»Ich habe einen Feind in Gulgothir, der meinen Tod wünscht.«
»Dann töte ihn.«
»Das habe
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