Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
aus betrachten«, erwiderte Sieben. »Du wirst mit einem Mann reisen, der in Literatur und Dichtung bewandert ist, einem Geschichtenerzähler, der seinesgleichen nicht hat. Während ich mit einem Bauern reite, dessen Wams mit Erbrochenem besudelt ist.«
Erstaunlicherweise wallte kein Zorn in Druss auf, kein brodelnder Wunsch, zuzuschlagen. Stattdessen lachte er, und alle Spannung fiel von ihm ab.
»Ich mag dich, kleiner Mann«, sagte er.
Nach dem ersten Tag hatten sie die Berge hinter sich gelassen und ritten durch Täler und welliges Grasland, das mit Hügeln und Wasserläufen gesprenkelt war. An der Straße lagen viele Weiler und Dörfer mit Häusern aus weißgekalktem Stein und Dächern aus Schiefer oder Holzschindeln.
Sieben ritt anmutig, mit geradem Rücken und lockerem Sitz. Die Sonne schimmerte auf seiner Reittunika aus hellblauer Seide und den knielangen Stiefeln mit den Silberpaspeln. Sein langes, blondes Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, dazu trug er einen silbernen Stirnreif. »Wie viele Stirnreife hast du eigentlich?« fragte Druss, als sie aufbrachen.
»Lächerlich wenige. Aber der hier ist schön, nicht wahr? Ich habe ihn letztes Jahr in Drenan aufgestöbert. Ich habe Silber schon immer gemocht.«
»Du siehst aus wie ein Geck.«
»Genau das, was ich heute morgen brauche«, sagte Sieben lächelnd. »Anspielungen auf meine elegante Erscheinung von einem Mann, dessen Haare offensichtlich mit einer rostigen Säge geschnitten wurden und dessen einziges Hemd Weinflecken zieren, und … nein, sag mir nicht, was diese anderen Flecken sind.«
Druss blickte an sich hinunter. »Getrocknetes Blut. Aber nicht meins.«
»Da bin ich erleichtert. Mit diesem Wissen werde ich heute viel besser schlafen.«
Während der ersten Stunde ihrer Reise versuchte der Dichter, dem jungen Axtschwinger hilfreiche Ratschläge zu geben. »Umklammere den Rumpf deines Pferdes nicht mit den Waden, nur mit den Oberschenkeln. Und halte den Rücken gerade.« Schließlich gab er auf. »Weißt du, Druss, mein Lieber, manche Männer sind zum Reiten geboren. Du aber hast keinerlei Gespür dafür. Ich habe schon Kartoffelsäcke gesehen, die mehr Anmut hatten als du.«
Die Antwort des Axtschwingers war kurz und ausgesprochen unflätig. Sieben lachte leise und warf einen Blick zum Himmel, der wolkenlos und von einem strahlenden Blau war. »Was für ein Tag, um sich auf die Suche nach einer entführten Prinzessin zu machen«, sagte er.
»Sie ist keine Prinzessin.«
»Alle entführten Frauen sind Prinzessinnen«, erklärte Sieben. »Hast du nie den Geschichten gelauscht? Helden sind groß, goldhaarig und sehen wunderschön aus. Prinzessinnen sind hold und zart und hübsch und verbringen ihr Leben damit, auf den schönen Prinzen zu warten, der sie befreit. Bei den Göttern, Druss, niemand will Geschichten über die Wahrheit hören. Kannst du dir das vorstellen? Der junge Held, der sich nicht zu Pferde auf die Suche nach seiner Liebsten machen kann, weil die große Beule an seinem Hintern verhindert, daß er auf einem Pferd zu sitzen vermag?« Sieben lachte laut auf.
Selbst der normalerweise so finstere Druss lächelte, und Sieben fuhr fort: »Es ist eine Romanze, weißt du. Eine Frau in einer Geschichte ist entweder eine Göttin oder eine Hure. Die Prinzessin, als schöne Jungfrau, fällt in die erstgenannte Kategorie. Der Held muß ebenfalls rein sein und auf seinen Schicksalsmoment in den Armen der jungfräulichen Prinzessin warten. Es ist wunderbar rührend – und ziemlich lächerlich. Das Liebesspiel erfordert, genauso wie das Spiel der Leier, ungeheuer viel Übung. Dankenswerterweise enden die Geschichten immer, ehe wir das junge Paar sehen, wie es sich mühsam durch seinen ersten Liebesakt fummelt.«
»Du sprichst wie ein Mann, der noch nie verliebt war«, sagte Druss.
»Unsinn. Ich bin schon unzählige Male verliebt gewesen«, fuhr der Dichter auf.
Druss schüttelte den Kopf. »Würde das stimmen, dann wüßtest du, wie … wie schön dieses Fummeln sein kann. Wie weit ist es bis Mashrapur?«
»Zwei Tage. Aber die Sklavenmärkte werden immer an Missael oder Manien abgehalten. Also haben wir Zeit. Erzähl mir von ihr.«
»Nein.«
»Nein? Sprichst du nicht gern über deine Frau?«
»Nicht mit Fremden. Warst du je verheiratet?«
»Nein – und ich hatte auch nie den Wunsch. Schau dich um, Druss. Siehst du die vielen Blumen auf den Hügeln? Warum sollte ein Mann sich auf eine einzige Blüte
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