Die dritte Ebene
noch bevor. Mit dem Seil sicherte Dwain den Verletzten und band ihn auf seinem Rücken fest. Lazard protestierte schwach, doch Dwain ignorierte seine Einwände.
»Wenn du ohnmächtig wirst, fällst du mir noch vom Rücken«, erklärte er. »Dann wirst du den Abhang hinunterstürzen. Und diesmal gibt es keinen Halt, hier ist es noch steiler als an der Abrissnische.«
Dwain sicherte den Abstieg mit dem Seil, das er an seinem Gürtel trug. Meter um Meter ließ er sich an der Sicherung in die Tiefe gleiten. Das Seil maß fünfzig Meter. Dwain wusste, dass die Länge nicht ganz reichen würde, doch er hoffte, dass er im unteren Bereich des Abstiegs, wo es nicht mehr so steil war, genügend Halt zum Klettern finden würde. Er mobilisierte seine letzten Kräfte, der Puls raste, während er sich Schritt für Schritt hinabhangelte. Tatsächlich flachte der Abhang ab, sodass er die letzten Meter des Abstiegs auch ohne Seil bewältigen konnte. Es war dunkel geworden, bis er die Talsohle erreichte. Vorsichtig lud Dwain seinen Neffen vom Rücken. Dave war ohnmächtig. Seine Stirn glühte, aber sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Der Sheriff wusste, dass er nur kurz verschnaufen konnte.
Er musste so schnell wie möglich zurück zum Wagen. Lazard brauchte umgehend ärztliche Hilfe. Für einen Moment ließ er sich erschöpft und kraftlos ins feuchte Gras sinken. Er schloss die Augen und atmete erst einmal durch. Als er sie öffnete, blickte er in das gleißend helle Licht einer Taschenlampe.
»Was tun Sie hier, das ist militärisches Sperrgebiet!«, traf ihn die Frage aus dem Licht.
Dwain hob schützend die Hand vor die Augen. »Wir hatten einen Unfall. Mein Neffe ist schwer gestürzt. Ich bin der Sheriff von Socorro County, und das ist mein Neffe. Ich befürchte, er hat sich das Bein gebrochen.«
Zwei Männer in olivgrünen Uniformen eilten herbei und beugten sich über Lazard.
Dwain Hamilton atmete auf. »Wir waren auf der Jagd«, erklärte er. »Wir wollten ein paar Tage hier draußen in der Wildnis verbringen. Ich habe dafür eine Genehmigung des Magdalena Ranger District. Ich wusste nicht, dass wir bereits im Sperrgebiet sind. Ich habe keine Schilder gesehen. Wir haben uns verlaufen und kamen an einen Abhang. Und dort ist er abgerutscht und ein paar Meter die Böschung hinabgestürzt.«
»Woher sind Sie gekommen?«, fragte der Soldat forschend.
»Vom South Baldy. Ich war das letzte Mal vor zehn Jahren hier. Damals konnte man bis zum Gipfel hochklettern, und das wollten wir auch jetzt. Sie müssen mir helfen. Er muss dringend ins Krankenhaus. Mein Wagen steht auf dem Waldparkplatz an der 107.«
»Sie haben ihn allein den ganzen Abhang heruntergebracht?«, erwiderte der Soldat. »Das war eine reife Leistung, Sheriff. Unser Jeep steht ganz in der Nähe. Wir helfen Ihnen.«
Kaimangraben, Karibisches Meer, nördlich von Jamaika
Die weiße Yacht dümpelte unweit der jamaikanischen Küste im sanften Wellengang der Karibik. Das Wasser glitzerte im hellen Sonnenlicht.
Dr. Jon Smith und sein Begleiter Dr. Enrico Garcia Marquez waren Meeresbiologen und gehörten als freie Wissenschaftler dem Institut für Meeresbiologie in Galveston an. Seit vier Wochen befanden sie sich im Gebiet des bis zu 7700 Meter tiefen Kaimangrabens, an der Schwelle des Golfs von Mexiko, um Studien über die Entwicklung der Korallenriffe des Karibischen Meeres durchzuführen. Seit einigen Jahren waren die Meeresbiologen alarmiert: Ein dramatisches Sterben der Korallenriffe hatte eingesetzt, und auch dieser Effekt war der globalen Erderwärmung zuzurechnen. Doch mittlerweile konnten großflächige Vorkommen der teilweise abgestorbenen Korallenriffe vor Jamaika durch neue Techniken wiederaufgebaut werden. Der weiße Tod, wie die Wissenschaftler das Korallensterben nannten, schien zumindest vorläufig durch künstliche Ansiedlungen gestoppt worden zu sein. Das sogenannte Jamaika-Experiment war so zu einem wegweisenden Zeichen für andere Meeresanrainer geworden, dem Sterben der Korallenriffe entgegenzuwirken.
Beim heutigen Tauchgang, der die beiden Wissenschaftler in knapp zwanzig Meter Tiefe führen sollte, wollten sie das Brot des Meeres untersuchen. Auch die Planktonvorkommen der Karibik hatten in den letzten Jahren unter dem bedenklichen Zustand der Gewässer gelitten. Doch auch hier gab es Grund zur Hoffnung. Mittlerweile konnten an den Auftriebsgebieten des kalten, aber nährstoffreichen Tiefenwassers wieder mannigfaltige Vorkommen an
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