Die dritte Ebene
längst tot gewesen war, als er in das Apartment eindrang, würde nicht zwingend entlastend für ihn sein. Den Täter zog es bekanntlich zum Tatort zurück. Aber wie passte der Mord an Jennifer Oldham in diese Geschichte? Schließlich waren Suzannah und er zu dem Schluss gekommen, dass sie Opfer eines ausgetüftelten Komplotts geworden waren. Doch wer steckte dahinter, und, vor allem, was war der Grund für die beiden Morde? Zufall sicherlich nicht.
Wayne hatte bezüglich der ungewöhnlichen Wirbelstürme Nachforschungen angestellt und war auf etwas Sonderbares gestoßen. Doch welcher Art diese Erkenntnisse waren, die Wayne dazu veranlassten, Brian zu verständigen und um ein umgehendes Treffen zu bitten, das hatte er in der E-Mail nicht mitgeteilt.
Sosehr sich Suzannah und Brian den Kopf zermarterten, es blieb nicht viel mehr als Spekulation. Nicht einmal der Hauch eines logischen Ansatzpunktes war zu erkennen. Wie nur sollten sie Licht in das Dunkel bringen und gleichzeitig den Kopf aus der Schlinge ziehen?
Suzannah betrat das kleine Café und setzte sich zu Brian an den Tisch. Beinahe hätte er sie nicht erkannt. Statt der langen dunklen Haare hatte sie nun einen frechen Kurzhaarschnitt mit blonden Strähnchen. Die Jeans und das helle Blouson, die sie in Beaumont trug, hatte sie mit einem cremefarbenen Kostüm getauscht. Sie erschien etwas älter und femininer als zuvor.
Brian schaute sie mit großen Augen an. »Wer sind Sie, Miss?«, fragte er lächelnd.
Suzannahs Augen flogen nervös hin und her. »Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut. Bei jedem Mann, der mir begegnet, habe ich Angst, dass er im nächsten Augenblick eine Waffe unter der Jacke hervorholt und mich verhaftet. Es ist ein einziger Albtraum. Ich will die ganze Zeit über aufwachen, aber es gelingt mir nicht.«
»Es ist kein Traum, es ist Realität«, entgegnete Brian.
Suzannah zeigte auf die Zeitungen.
»Kein Wort über den Mord, keine Fahndung. Ich glaube nicht, dass sie unsere Identität schon kennen.«
»Sollten wir uns nicht doch besser stellen?«
»Bist du verrückt?«
»Bestimmt wird sich alles aufklären. Wir sind doch keine Mörder.« Suzannahs Stimme klang flehend.
»Damit wir enden wie Wayne und Jennifer?«
Suzannah schlug die Hände vor die Augen. »Das wird alles zu viel für mich. Zuerst Mutter und jetzt …«
Brian griff nach ihrer Hand und drückte sie fest. »Wir werden es schaffen. Wir werden herausfinden, was hinter den Morden steckt.«
»Wie denn?« Sie hatte unwillkürlich die Stimme erhoben, sodass die Gäste an den übrigen Tischen aufschauten.
Brian beruhigte sie und streichelte ihr die Hand. »Ich weiß es noch nicht, aber zunächst einmal bringe ich dich in Sicherheit. Mir wird schon etwas einfallen.«
»Und wenn wir zu mir nach Hause gehen?«
»Spätestens wenn sie uns identifiziert haben, werden sie uns genau dort suchen«, meinte Brian. »Wir gehen nach Kanada. Dort sind wir erst einmal sicher.«
Plötzlich herrschte Aufruhr draußen auf der Straße. Reifen quietschten. Menschen rannten über den Gehweg, und lautes Rufen war zu hören.
»Was ist dort draußen los?«, fragte Suzannah.
Brian zuckte mit den Schultern. An den Tischen erhoben sich die Gäste und traten an die Fenster.
»Warte hier«, sagte Brian und schloss sich den Menschen an.
Unmittelbar vor dem breiten Glasfenster blieb er stehen und schaute hinaus auf die Straße. Gegenüber standen Streifenwagen mit eingeschaltetem Rotlicht. Polizisten mit gezogenen Waffen hasteten auf eine kleine Boutique auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu.
Brian wandte sich um und ging zurück zu seinem Platz.
»Wo hast du das Kostüm gekauft?«, flüsterte er.
Suzannah schaute ihn fragend an. »Gegenüber in einem Laden.«
»Und wie hast du bezahlt?«
Suzannah griff in ihre Jackentasche und zeigte ihre Kreditkarte.
»Komm!«
Brian zog Suzannah hinter sich her ins Treppenhaus und auf den Notausgang zu.
»Was ist los?«, stieß Suzannah hervor.
»Sie haben uns schon längst identifiziert …« Er stieß die Tür auf. »Gerade stürmen die Bullen den Laden, in dem du eingekauft hast.«
Suzannah erschrak. »Aber wie können sie nur …«
»Die Kreditkarte, verstehst du!«
City of Monroe, Lake Erie, Michigan
Die Sonnenstrahlen brachen sich auf dem blauen Wasser des Sees. Suzannah saß am Ufer und sog die frische Luft ein. Brian war in einem kleinen Bootshaus jenseits des Landungsstegs verschwunden und redete mit dem Besitzer des
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