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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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bei der Grabschänderin mit einer Fetischistin zu tun, die derart besessen ist von ihren Zwangsvorstellungen, daß sie, ohne zu zögern, zwei Totengräber anheuert, um diese Vorstellungen zu befriedigen. Du kannst zuschütten lassen, wenn du willst, Jean-Baptiste, wir haben alles gesehen.«
    Adamsberg trat an den Rand des Grabes und las noch einmal den Namen der Toten. Pascaline Villemot. Die Nachfrage nach Informationen über die näheren Umstände ihres Todes war rausgegangen. Vermutlich aber würde er durch die Gerüchte im Dorf bereits allerhand erfahren, noch bevor die offiziellen Angaben ihn erreicht hätten. Er hob die beiden großen Hirschgeweihstangen auf, die im Gras gelegen hatten, und gab mit einem Wink die Anweisung zum Zuschütten.
    »Was machst du denn damit?« fragte Ariane erstaunt, während sie ihren Overall auszog.
    »Das ist ein Hirschgeweih.«
    »Ja, das sehe ich. Aber warum trägst du es mit dir herum?«
    »Weil ich es nicht hierlassen darf, Ariane. Weder hier noch im Café.«
    »Wie du meinst«, sagte Ariane, ohne nachzuhaken. In Adamsbergs Augen las sie, daß er in Gedanken bereits abgehoben hatte in weite Fernen, es hatte keinen Sinn, ihn jetzt noch zu fragen.

27
    Das Gerücht hatte seine Schuldigkeit getan: Es war von Baum zu Strauch gesprungen, über die Straßen von Opportune-la-Haute nach Haroncourt, und schon betraten Robert, Oswald und der Unterstreicher das kleine Café, in dem der Trupp der Brigadiers zu Abend aß. Ungefähr damit hatte Adamsberg gerechnet.
    »Verdammt, wir sind vom Pech verfolgt«, sagte Robert.
    »Genauer gesagt, ihr lauft ihm hinterher«, sagte Adamsberg. »Setzt euch«, sagte er und rückte ein Stück zur Seite.
    Diesmal war der Kreis der versammelten Männer Adamsbergs Kreis, und so kehrten sich die Rollen auf subtile Weise um. Die drei Normannen sahen unauffällig zu der bildschönen Frau am Tischende hin, die herzhaft ihrem Essen zusprach und abwechselnd Wein und Wasser trank.
    »Das ist die Gerichtsmedizinerin«, erklärte Adamsberg, um ihren Gehirnwindungen Zeitverluste zu ersparen.
    »Die mit dir zusammenarbeitet«, sagte Robert.
    »Die gerade die Leiche von Pascaline Villemot untersucht hat.«
    Mit einer Bewegung des Kinns deutete Robert an, daß er verstanden habe und eine solche Tätigkeit mißbillige.
    »Wußtest du, daß sich jemand an dem Grab zu schaffen gemacht hat?« fragte Adamsberg ihn.
    »Ich wußte nur, daß Gratien den Schatten gesehen hat. Du sagst, wir laufen hinterher.«
    »Der Zeit, Robert, schon seit Monaten. Wir treffen Lichtjahre nach den Ereignissen ein.«
    »Sieht aber nicht so aus, als würde dich das zur Eile antreiben«, meinte Oswald.
    Veyrenc, der am anderen Tischende ganz in sein Essen vertieft schien, bestätigte mit einem knappen Nicken.
    »Doch achte gut auf ihn, den großen trägen Fluß, es ist nur scheinbar so, daß er nicht eilen muß.
    In seiner Ruh schwimmt mit die leise Lust auf Krieg, denn stetes Wasser hat auch Eisen noch besiegt.«
    »Was murmelt er da, der Rotfuchs?« fragte Robert leise.
    »Nenn ihn niemals so, Robert. Das ist was Persönliches.«
    »In Ordnung«, sagte Robert. »Aber ich versteh nicht, was er sagt.«
    »Daß überhaupt nichts eilt.«
    »Der spricht aber nicht wie jedermann, dein Vetter.«
    »Nein, es ist familienbedingt.«
    »Ah, wenn es familienbedingt ist, ist es natürlich was anderes«, sagte Robert ehrfurchtsvoll.
    »Versteht sich«, murmelte der Unterstreicher.
    »Und außerdem ist er nicht mein Vetter«, sagte Adamsberg.
    Robert schleppte sichtlich irgendein Ärgernis mit sich herum. Adamsberg erriet es an der Art, wie er sein Glas in der Faust hielt und den Kiefer von links nach rechts wandern ließ, als kaue er auf Heu herum.
    »Ist etwas nicht in Ordnung, Robert?«
    »Du bist wegen Oswalds Schatten hergekommen und nicht wegen dem Hirsch.«
    »Woher willst du das wissen? Die beiden Sachen sind doch zur selben Zeit passiert.«
    »Lüg nicht, Béarner.«
    »Willst du die Geweihstangen zurückhaben?«
    Robert zögerte.
    »Du hast sie, behalt sie. Aber trenn sie nicht. Und vergiß sie nicht.«
    »Ich hab sie den ganzen Tag über bei mir gehabt.«
    »Gut«, schloß Robert, beruhigt. »Und was ist nun mit diesem Schatten? Oswald sagt, es ist der Tod.«
    »In gewisser Hinsicht schon.«
    »Und in einer ungewissen?«
    »Ist es irgend etwas oder irgend jemand, der nichts Gutes verheißt.«
    »Und du«, flüsterte er, »kommst hierher, nur weil ein Kretin wie Oswald dir erzählt, daß ein Schatten

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