Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller
war nicht Furcht, sondern Erschöpfung. Sie alle waren viel zu viele Stunden unter höchst anstrengenden Bedingungen auf den Beinen, und das Adrenalin, das sie in den Anfangs stadien der Krise aufrecht gehalten hatte, hatte ihre Reserven angezapft und weitgehend erschöpft. Nicht in allen Gesichtern zeigte sich die Anspannung, aber bei allen war sie an der resignierten Haltung erkennbar, beinahe so, als wäre die Schwerkraft in den Stunden, seit wir uns zu einem friedlichen Mahl an den Tisch gesetzt hatten, stärker geworden.
Unter all diesen Leuten schien Dejah diejenige zu sein, die durch die Ereignisse der letzten paar Stunden am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wären wir in diesem Moment befreit worden, hätte ich mich nicht gewundert, wenn sie einen netten Zehn-Kilometer-Lauf vorgeschlagen hätte oder vielleicht eine Klettertour oder zwei in den Bergen. Sie mochte nach der Zeit im Interschlaf noch aufgedrehter sein, als die Porrinyards und ich es gewesen waren, aber ich war nicht bereit, mich mit dieser schlichten Erklärung allein zufriedenzugeben. Erschöpfung war jedoch anscheinend nicht in dem physischen Vokabular ihres Körpers verzeichnet, so wenig wie Verzweiflung im emotionalen ihrer Seele. Sogar jetzt las ich eine versteckte Botschaft in dem Nicken, mit dem sie mich bedachte, als sie mich auf dem Weg zu ihrem Platz passierte: Ich bin bereit.
Dina Pearlman durchbohrte mich mit ihrem Blick, als sie mein Gesicht auf der Suche nach Anzeichen für weitere Beschuldigungen studierte, und als sie an mir vorüberstürmte, hörte ich sie etwas darüber murmeln, dass sie hoffe, das wäre bald vorbei.
Ihr Ehemann Farley sah verschwitzter und elender aus als alle anderen. Seine Augen waren blutunterlaufen, und auf seiner Jacke prangte ein frischer, glänzender Fleck auf Brusthöhe. Da es dort unten keine Speisen und keine Getränke gegeben hatte, nahm ich an, dass ihm schlecht geworden war -nicht verwunderlich, wenn man all das in Betracht zog, was er in den Nachwehen des Ablebens des Khaajiir hatte in sich hineinkippen müssen.
Monday Brown nickte mir professionell zu, ehe er sich nach Philip umsah und neben ihm Stellung bezog. Es war kaum zu übersehen, wie seine Haltung, steif wie ein Ladestock, immer formeller wurde, je näher er dem höchstrangigen Bettelhine an Bord kam. Ich konnte mir keinen Menschen vorstellen, der besser als rechte Hand des großen Hans geeignet gewesen wäre. Aber nun verstand ich auch die Spur der Traurigkeit, die ich an ihm gespürt hatte. Im Stillen fragte ich mich, was für ein Mann er wohl gewesen wäre, hätte es ihm freigestanden, ein Leben nach eigenem Gutdünken zu leben.
Vernon Wethers wählte einen Platz neben Philips anderer Schulter. Anders als Brown, der in Gegenwart seines Arbeitgebers Format gewann, wurde Wethers sichtbar kleiner, erschien weniger als eigenständige Präsenz denn als zusätzliche Komponente der allumfassenden Atmosphäre. Als er erkannte, dass ich ihn musterte, wandte er hastig den Blick ab. Ich überlegte, ob er dahingehend konditioniert worden war, solch eine schwere Last sozialer Unzulänglichkeit mit sich herumzutragen, oder ob er die schon seit seiner Kindheit auf seinen Schultern trug.
Arturo Mendez marschierte zum Tresen und bezog neben ihm Position, wartete, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, auf den passenden Moment, sich in Erfüllung seiner persönlichen Aufgaben hervorzutun. Seine lächerliche Uniform mit der Schärpe und den Epauletten war unberührt von all den üblen Ereignissen des Tages. In Anbetracht dessen, was wir über ihn wussten, kam ich in Versuchung, ihn mir in seiner natürlichen Umgebung vorzustellen: braun gebrannt mit nacktem Oberkörper, die Haut glitzernd von der Nässe, die von einem erst kurze Zeit zurückliegenden Sprung in das türkisblaue Meerwasser stammte. Ich nahm an, dass ein Teil von ihm hinter diesen dienstbeflissenen Augen nie aufhörte, vor Kummer zu schreien.
Loyal Jeck baute sich ihm gegenüber in identischer Haltung auf, doch sein zierlicher Körperbau und seine zurückhaltende Persönlichkeit ließen ihn beinahe unsichtbar erscheinen. Da war nichts in seinem Gesichtsausdruck, nichts in seinen Augen, nichts in seinem Charakter, das irgendetwas anderes als Dienstbeflissenheit vermittelte. Er hatte in den Stunden, die wir zusammen verbracht hatten, nicht viel gesagt, doch hatte auch niemand seinen Beitrag vermisst. Seine spröde Art, seine innere Leere schufen den Eindruck einer
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