Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller
menschlichem Leben bereichern. Ich wette die Hälfte meines Anteils am Familienvermögen, dass Sie selbst etwas Ähnliches gesagt haben, vermutlich schon, bevor Sie hergekommen sind und ganz bestimmt danach. Habe ich recht?«
Ich beschloss, sie nicht mit inhaltlosen Dementi zu beleidigen. »Ihr Geld wäre sicher angelegt.«
»Daran sind wir gewöhnt. Aber manchmal, wenn wir ein familiäres Trauma erleben, gestehen Außenstehende uns nicht einmal zu, dass wir mit den Unseren fühlen. Sie zweifeln unsere Tränen an und behaupten, unsere Trauer diene Werbezwecken. Es ist schwer, wenn man mittendrin steht. Uns hat es beinahe zerrissen.«
»Ich verstehe.«
»Nein, Andrea, bei allem Respekt und größerer Zuneigung, als Sie auch nur ahnen - ich glaube nicht, dass Sie das tun. Ein vermisstes Kind ist für jede Familie furchtbar, davon bin ich überzeugt, aber ich glaube, eine große Familie mit einer kleinen Kinderbande wie die Unsere fühlt das noch stärker. Das Leiden, die Furcht um ihn, das Gefühl des Verlusts - das alles wird nicht geringer, weil es auf viele aufgeteilt ist, es multipliziert sich. Wir alle haben den Kummer und die Unsicherheit jedes anderen widergespiegelt, und wir alle haben uns hilflos im Angesicht des Geschehens gefühlt. Aber das könnte auf lange Sicht gut für uns gewesen sein. Wir sind vielleicht die erste Generation in meiner Familie, die nicht mit dem Gefühl auf gewachsen ist, unverwundbar zu sein.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Ich bin nicht arrogant genug zu behaupten, es wäre für mich schlimmer gewesen als für die anderen, aber ich wurde zu einem Schatten meiner selbst. Jason und ich waren etwa im gleichen Alter, und bis zu diesem Tag war er unter all meinen Brüdern und Schwestern mein engster Freund.«
Das lärmende Durcheinander aus leiser Musik und Gesprächen schien so fern wie New London. Zumindest in diesem Moment waren wir ganz allein in dem großen Raum. »Warum ist er fortgegangen?«
»Zum Teil war es Idealismus, zum Teil törichte Rebellion. Er dachte, er würde als siegreicher Held nach Hause zurückkommen. Ich war so ein romantischer, naiver kleiner Idiot, ich habe ihm geglaubt und ihm sogar Glück gewünscht, als er ging. Zu meiner unendlichen Schande habe ich ihm sogar geholfen, sich fortzuschleichen.«
»Das dürfte zu einer bleibenden Erinnerung geworden sein.«
»Niemand wusste davon, auch lange nach seiner Rückkehr nicht. Und bis dahin war der Schaden schon angerichtet. Haben Sie je von einer Zylinderwelt namens Deriflys gehört?«
Das Wort klang elegant, die Art, wie sie es aussprach, war entsetzlich, und ich stellte fest, dass ein Teil von mir nichts darüber wissen wollte. Aber ich hatte diese Tür aufgestoßen, also schüttelte ich den Kopf.
»Es gibt Orte, an denen der Mechanismus der Zivilisation ein Habitat schafft, das einen Lebensraum für die Leute darstellen soll, nur um sie sogleich im Stich zu lassen, wenn diejenigen, die die Rechnungen bezahlen, entweder bankrott gehen oder einfach beschließen, weiterzuziehen. Deriflys gehörte zu den schlimmsten dieser Orte.«
»Was ist passiert?«
»Eigentlich sollte das ein Reise- und Arbeitszentrum mit vielen Arbeitsplätzen sein, aber die Geldgeber verschwanden und ließen zwei Millionen Menschen zurück, gestrandet und ohne Evakuierungsmöglichkeit. Keine menschliche oder nicht menschliche Regierung im ganzen zivilisierten Raum wollte die bevorstehende Katastrophe zu ihrem Problem erklären. Die lokale Wirtschaft brach zusammen. Die legale Schifffahrt flog andere Ziele an. Bald waren die einzigen Schiffe, auf denen ein Interesse daran bestand, auf Deriflys anzulegen, solche, die von kriminellen Elementen geführt wurden, von Verbrechern, die daran interessiert waren, Profit aus der Not derjenigen zu schlagen, die man dort zurückgelassen hatte. Drogen und Waffen überschwemmten die Station, kriminelle Banden übernahmen die Macht, und die Bewohner, denen es gelungen war, einen Platz auf einem Schiff zu buchen, fanden sich häufig gegen ihren Willen in einer Situation wieder, die noch schlimmer war als die, die sie hinter sich gelassen hatten. Die, die blieben, mussten mit dem Chaos leben. Es gab ein paar gut genährte Anführer und Not und Elend auf allen tieferen Ebenen. Die Bewohner wurden dem Hunger überlassen, der Verzweiflung, dem Schmutz; sie gingen für ein Gramm Nahrung, einen Atemzug oder einen Quadratzentimeter Raum aufeinander los. Es dauerte nicht lange, und das Leben dort wurde zu
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