Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller
einer alltäglichen Abfolge endloser Gräueltaten und einer Studie dafür, wie tief Leute zu sinken vermögen, wie billig sie bereit sind, sich zu verkaufen, nur um zu überleben.« Sie erzählte die Geschichte, als wäre sie selbst dabei gewesen, und tupfte sich mit einem weichen Tuch die Augen. »Das, Counselor, ist der Ort, an dem mein wundervoller Bruder Jason, mein bester Freund, fünf Jahre verbracht hat, während wir nicht wussten, ob er überhaupt noch am Leben ist.«
Das war nicht die einzige derartige Geschichte, die mir zu Ohren gekommen war. Der zivilisierte Raum war voll von Welten, die sich zu Höllen entwickelt hatten, manchmal aufgrund von purer, selbstmörderischer Vernachlässigung, dann wieder, weil die Bewohner mit eben jenen Waffen aufeinander losgegangen waren, die den Ahnen von Jason Bettelhine ihren Reichtum eingebracht hatten - einen Reichtum, den er aufgegeben hatte, als er, strahlenden Blicks und doch blind, auf Wanderschaft durch ein feindseliges Universum gegangen war. Es gab keinen Grund für mich, Mitleid für ihn zu empfinden, bedachte ich, wer er war. Aber er war auch noch ein Kind gewesen, ein Kind, dessen Unschuld ähnlich wie die eines ganz anderen Kindes in Brutalität und Blut geendet hatte. Ich brauchte mehrere Sekunden, um meine Sprache wiederzufinden. »Warum hat er niemandem erzählt, wer er ist, und dem ersten Schiff, das ihn nach Hause zurückbringt, eine hohe Belohnung versprochen?«
Ein weiteres Mal überschritt ihr Lächeln die Grenze zu dem Mitgefühl, das sie auch Monday Brown gegenüber gezeigt hatte. »Eine so kluge Frau wie Sie dürfte die Antwort auf diese Frage kennen.«
Sie war mir in der Tat in den Sinn gekommen, kaum dass ich die Frage gestellt hatte. Natürlich hatte er das nicht tun können. Die Sorte von Leuten, die imstande ist, sich an die Spitze einer auseinanderfallenden Welt vorzukämpfen, hätte in einem Bettelhine-Erben eine Handelsware gesehen, deren Wert weit über pures Lösegeld hinausging. Es gab ganze Zivilisationen, die durch sein Familiengeschäft beinahe ausgelöscht worden waren und die Hälfte all ihrer Aktivposten dafür gegeben hätten, ihn in die Hände zu bekommen und zu exekutieren. Es gab andere, die entzückt gewesen wären, ihn an eine Mauer zu ketten und für den Rest seines natürlichen Lebens Tag für Tag mit neuen Foltermethoden zu quälen. Wieder andere hätten eine Waffe auf seinen Kopf gerichtet und den Bettelhines erklärt, er bliebe am Leben, solange die Familie regelmäßig zahlte. In keinem dieser Fälle hätte irgendjemand einen Gedanken daran verschwendet, ihn je zurückzubringen. So hart es gewesen sein muss, das zu akzeptieren, aber Jason war als zerlumpte kleine Ratte oder auch als Spielball von Mächten, die größer waren als er, sicherer gewesen als der lange verlorene Bettelhine-Sohn, der auf eine komfortable Reise zurück zu dem Luxusanwesen zählte, das er zugunsten eines fehlgeschlagenen Abenteuers verlassen hatte, es je hätte sein können.
Aber da war noch ein anderer Punkt, noch schlimmer, der wie eine gewaltige Last, bereit, alles unter sich zu begraben, über all diesen Schrecken lauerte. Wie lange konnte ein naiver, verhätschelter Junge in der Hölle überleben, bis er etwas tun musste, das ihm nicht gestatten würde, je wieder nach Hause zurückzukehren? Wie lange, bevor die einzige mögliche Schlussfolgerung für ihn selbst lauten musste, dass er sich ruiniert hatte und nirgends anders mehr hingehören konnte als genau dahin, wo er war?
»Wie ist er rausgekommen?«, fragte ich.
»Er ist derzeit nicht bereit, davon zu erzählen. Aber ich weiß, dass er, nachdem er wieder zu Hause war, beinahe ein Jahr gebraucht hat, ehe er akzeptieren konnte, dass die Familie sich freute, ihn wiederzuhaben. Der Junge, den wir gekannt haben, war ... gebrochen.«
Ich sah mich zu dem parkettsicheren jungen Mann um, der sich am Gespräch mit Skye ergötzte. »Augenblicklich wirkt er ganz zufrieden. Genau wie Sie.«
»Danke. Sie wissen nicht, was uns das gekostet hat, womit ich uns beide meine. Wir helfen einander, die Last zu tragen. Das ist einer der Gründe, warum wir uns immer noch so nahe sind.«
»Und - entschuldigen Sie - das alles hat etwas damit zu tun, warum ich hier bin?«
Jelaine spreizte die Hände. »Ein veränderter Mann kann seine Familie ändern und das, wofür die Familie steht. Sogar, so wage ich zu behaupten, wie weit sich das Netz der Familie ausbreitet. Wir wollen dem mit unserer Politik
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