Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller
ihrer Programmierung gehorchte.
Ich sah noch ein paar Sekunden zu, wie die Blutflecken auf Jasons Stirn verschwanden, geplündert von den kleinen Maschinen, die Ergänzungsmaterial benötigten, um die Wunde zu reparieren. Paakth-Doy führte den Stift mit der zwanglosen Tüchtigkeit einer Frau, die in seiner Benutzung ausgebildet worden war, verweilte nie zu lange an einer Stelle, fegte nicht über weniger schadhafte Partien hinweg, nur um möglichst schnell zu den schlimmeren Abschnitten vorzudringen. »Sie machen das gut.«
Ihre Stimme war flüsterleise. Ihr Akzent betonte das R und bereicherte die Vokale um ein trillerndes, nasales Vibrato. Es war, als filtere sie jedes einzelne Wort durch eine Nase, in der kein Platz dafür war. »Danke sehr.«
»Sind Sie für echte medizinische Notfälle ausgebildet?«
Sie runzelte die Stirn, was ihre Standardmiene zu sein schien, so wie das Flüstern ihre Standardlautstärke war. Seit sie sich vorgestellt hatte, hatte sie weder gelächelt noch auf irgendeine andere Art Gefühle gezeigt. »Ich bin nicht für innere Medizin qualifiziert. Aber wir haben unten Cryofoam-Tanks. Sollte es um Leben und Tod gehen, so können wir jede Person, die noch am Leben ist, lange genug in Stasis versetzen, um den Körper zu der Niederlassung der KIquelle Medizintechnik in Anchor Point zu bringen.«
Die KIquelle Medizintechnik war der lukrativste Dienst unter all den vielen, mit denen sich meine wahren Arbeitgeber an der speziesübergreifenden Wirtschaft beteiligten - automatische medizinische Versorgung, so rentabel und wirkungsvoll, dass sie in Kreisen, die sich den Dienst leisten konnten, ein Quasimonopol darstellten. Schon bevor ich angefangen hatte, für sie zu arbeiten, haben sie mir einmal das Leben gerettet. Es war wenig überraschend, dass die Bettelhines sich diesen Dienst auf Abruf gesichert hatten. »Wie weit ist Xana abgedeckt? Steht der Dienst jedem zur Verfügung, oder muss noch irgendjemand zu einem menschlichen Arzt gehen?«
»Nein. Mr Bettelhine hat dafür gesorgt, dass die KIquelle Medizintechnik von allen Bewohnern und Besuchern Xanas in Anspruch genommen werden kann.«
Das allein musste ein Vermögen gekostet haben. »Haben Sie schon einmal Patienten stabilisieren müssen?«
Von der klaffenden Wunde an Jasons Stirn war nur noch eine weiße Linie übrig, die auf seiner blassen Haut kaum noch zu erkennen war. »Einmal«, sagte Paakth-Doy, »als ich noch in einem anderen System gelebt habe. Damals habe ich als Erster Steward auf einem Pendlertransporter gearbeitet, der eine Panne hatte, nachdem er im Orbit mit einem Trümmerstück kollidiert war. Eine Passagierin hat eine Kopfwunde davongetragen, die zu schwer war, um sie vor Ort zu behandeln. Wir mussten sie in Gel legen, um sie später am Boden behandeln zu lassen. Sie hat ohne Beeinträchtigung ihrer kognitiven Funktionen überlebt.«
»Und Ihre Erste-Hilfe-Ausbildung haben Sie vor oder nach diesem Erlebnis absolviert?«
»Danach«, sagte Paakth-Doy, deren Augen nach wie vor vollkommen teilnahmslos wirkten. »Ich war entschlossen, vorbereitet zu sein, sollte ich je wieder mit einem Notfall konfrontiert werden.«
»Welchen offiziellen Abschluss haben Sie gemacht?«
»Sanitäter. Erster Grad.«
Das allein erforderte zwei Jahre intensiver Ausbildung. Sie war nicht so hoch qualifiziert wie ein richtiger Arzt menschlicher Gesellschaften, aber schließlich ist das Sterben auch an einer beachtlichen Anzahl von Orten höchst verbreitet, die sich, im Gegensatz zu Xana, die Dienste der KIquelle Medizintechnik nicht leisten konnten.
Trotzdem machte mir irgendetwas an Paakth-Doy zu schaffen, eine Art elementarer Abkopplung ihrer Haltung gegenüber unserer Situation.
In ihrer Anwesenheit hätte ich mich sicherer fühlen sollen. Ich hatte gehofft, den prophezeiten Mord abwenden zu können - falls ich das Opfer fand, solange es noch einen Funken Leben im Leib hatte, und einen qualifizierten Mediziner, der Zugriff auf einen Cryofoam-Tank hatte, denn das war exakt das, was ich dafür brauchen würde. Aber die Stunde war bereits vorüber, und ich hatte noch immer nichts entdeckt, was irgendeine Ähnlichkeit mit einem Mordopfer aufgewiesen hätte. Doch die Chance, dass die KIquellen bezüglich eines bevorstehenden Mordes gelogen oder sich gar geirrt hatten, lagen außerhalb des Bereichs des Möglichen. Also war jemand an Bord der Kabine ermordet worden, auch wenn sie alle immer noch herumliefen und schwatzten und eigentlich noch
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