Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller
und aussah, als würde er über alles in seinem Blickfeld ein Urteil fällen. Die anklagende Miene kam mir neu vor. Bevor er gestorben war, schien er so milde gewesen zu sein, so weise, so betrübt und vor allem so amüsiert in Anbetracht meines verständlichen Misstrauens. Mir wurde plötzlich bewusst, dass er seit jenem lange zurückliegenden Tag, an dem ich mich dem Wahn meiner Familie aus Angehörigen und Nachbarn angeschlossen und nichts mehr gewollt hatte, als Bocai-Blut, der erste Bocai war, der sich mir gegenüber höflich verhalten hatte. Zum ersten Mal, seit ich erkannt hatte, dass er tot war, empfand ich sein Ableben als einen persönlichen Verlust. Welch tiefe Kluft hatte dieses Wesen überwunden, um mit mir im selben Raum zu stehen und zu bekunden, dass er mich nicht tot sehen wollte. War sie größer oder kleiner als die Kluft, die er in den letzten Minuten seines Lebens überwunden hatte? Das Schlimmste aber war ein Gedanke, der so furchtbar war, dass mein Magen sich vor Übelkeit krümmte, wie er es nicht getan hatte, als ich den Mord entdeckt hatte: War er mit dem Gedanken gestorben, das Monsterkind Andrea Cort, dem er sich so blödsinnig furchtlos genähert hatte, trüge die Schuld an seinem Tod?
Wer immer du bist, du sollst schon allein, weil du mich dazu bringst, so etwas zu denken, zur Hölle fahren.
Die Porrinyards hatten recht. Das Universum war nicht ausschließlich von Feinden bevölkert. Aber es gab sie immer noch wie Sand am Meer, und der unbekannte Meuchelmörder des Khaajiir war gerade einer von meinen geworden.
Ich wusste nicht, ob sich die Kabine von selbst wieder in Bewegung setzen würde oder, falls sie das nicht tat, ob das Rettungsfahrzeug, die Stanley oder wie immer Philip sie genannt hatte, uns in Minuten, Stunden oder Tagen erreichen würde. Aber ich legte in diesem Moment einen Eid ab. Wenn ich es irgendwie verhindern konnte, würde ich diesen Ort nicht verlassen, ehe ich die Gelegenheit bekam, dem Mörder mitten ins Gesicht zu spucken.
Ich rieb mir den Augenwinkel mit dem Daumen. »Ich ... äh ... ich nehme an, niemand hat in den letzten paar Minuten irgendetwas Belastendes gesagt.«
Oscin besaß den Anstand, nicht auf einen Moment der Unsicherheit aufmerksam zu werden, wenn er ihn direkt vor Augen hatte. »Farley Pearlman behauptet, er hätte Atemprobleme. Er ist überzeugt, die Luft sei schlecht, aber alle anderen denken, dass es nur an der Angst liegt und an dem Gestank der Überreste des Khaajiir. Vielleicht sollten wir alle in eine der Kabinen bringen, aus humanitären Gründen. Dieser Anblick ist wirklich mehr, als Leute, die Verbrechen nicht gewohnt sind, erfahrungsgemäß ertragen sollten.«
Ich dachte darüber nach. »Sie werden warten müssen. Niemand außer uns und wen immer wir befragen geht in einen der anderen Räume, ehe wir sie persönlich überprüft und dafür gesorgt haben, dass keine Beweise manipuliert werden können. Wenn sie Probleme mit dem Geruch haben, schließen wir sie an ein Sauerstoffgerät an.«
»Das wird das, was sie mit eigenen Augen sehen, nicht kompensieren können. Die Leiche ist widerwärtig.«
»Ich weiß. Aber wenn wir sehr viel Glück haben, macht das auch dem Mörder zu schaffen.«
Oscin und ich kehrten in den Barbereich zurück, wo die anderen sich aufhielten und uns mit einer Mischung aus Hoffnung und Furcht entgegenblickten. Als wir wieder bei ihnen waren, kauerten sich die Pearlmans zusammen und atmeten durch Stoffservietten. Die düster gestimmte, aber tränenfreie Colette blieb standhaft hinter dem Tresen, wo sich inzwischen auch Arturo Mendez, Loyal Jeck und Paakth-Doy eingefunden hatten. Dejah Shapiro und die drei Bettelhines standen am anderen Ende des Tresens und schafften es, zugleich aufsässig und verdrießlich dreinzuschauen, falls das überhaupt möglich war. Vernon Wethers und Monday Brown standen ein wenig abseits, Ersterer mit hinter dem Rücken, der andere mit vor dem Körper verschränkten Händen. Ich glaube nicht, dass einer von beiden die Absicht hatte, eine Parodie oder auch eine bildliche Antwort auf den anderen abzuliefern, es hatte sich wohl einfach so ergeben. Was Skye betraf, so hatte sie sich zu dem Sessel begeben, auf dem der Leichnam des Khaajiir saß und wo sich immer noch schwarzer Schlamm in das Polster ergoss.
»Also, Andrea«, sagte Jason zu mir, »haben Sie sich etwas überlegt?«
Ich wollte verdammt sein, wenn er mir nicht echte Zuneigung entgegenbrachte. Konnte ich nicht brauchen.
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