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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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hatte Ernie schon ein paarmal weinen gesehen. Aber dann stellte sich heraus, daß es sich bei dem in Tränen aufgelösten Mann um Harold Kurnitz handelte.
    Nach einiger Zeit verstand sie endlich, was er sagte: Maddie Kurnitz hatte versucht, sich mit einer Überdosis Schlaftabletten umzubringen. Im Augenblick lag sie auf der Intensivstation des Soames-Phillips-Krankenhauses. Ob Zoe sofort kommen könne?
    Sie duschte, bevor sie sich anzog, ohne zu wissen, warum. Sie sagte sich, daß sie wegen der erschreckenden Nachricht nicht klar denken könne. Sie gab dem Nachtportier einen Dollar, damit er ihr ein Taxi rief. Weniger als eine Stunde nach Harrys Anruf war sie im Krankenhaus.
    Er erwartete sie im Flur des fünften Stocks. Mit ausgebreiteten Armen und verzerrtem Gesicht stürzte er auf sie zu.
    »Sie kommt durch«, rief er mit dünner, zitternder Stimme. »Sie schafft es.«
    Sie brachte ihn dazu, sich auf eine Bank an der Wand des hellerleuchteten Flurs zu setzen. Ganz allmählich gelang es ihr, ihn mit gemurmelten Trostworten und sanften Berührungen zur Ruhe zu bringen. Er saß vornübergebeugt, ausgepumpt, die Hände verkrampften sich zwischen seinen Knien. Dann berichtete er ihr, was geschehen war…
    Er sagte, er sei gegen ein Uhr dreißig nach Hause gekommen.
    »Ich hatte noch in der Firma zu tun«, murmelte er.
    Er hatte begonnen, sich auszuziehen und dann aus irgendeinem unerklärlichen Grund beschlossen, noch einmal bei Maddie hereinzuschauen.
    »Wir haben getrennte Schlafzimmer«, erklärte er. »Wenn ich abends länger arbeiten muß… Jedenfalls, es war einfach Glück. Oder vielleicht Gottes Wille. Aber wenn ich nicht nach ihr geschaut hätte, wäre sie tot gewesen, sagt der Arzt.«
    Er hatte sie zusammengekrümmt auf dem Boden vorgefunden, am Körper nur einen winzigen Pyjama. Ihr Kopf lag in einer Pfütze aus Erbrochenem. Zuerst hatte er gedacht, sie hätte zuviel getrunken und das Bewußtsein verloren. Aber dann, als er sie nicht aufwecken konnte, hatte er es mit der Angst bekommen.
    »Ich habe durchgedreht«, sagte er. »Ich dachte, sie sei tot Ich konnte sie nicht atmen sehen. Ich meine, ihre Brust hob und senkte sich nicht. Gar nichts.«
    Also hatte er den Notdienst alarmiert, und während er wartete, hatte er es mit Mund-zu-Mund-Beatmung versucht. Aber er wußte nicht, wie man es richtig machte, und hatte Angst bekommen, das Falsche zu tun.
    »Ich habe ihr einfach nur in den Mund gepustet«, sagte er, »aber der Bursche in der Ambulanz sagte, es hätte ihr nicht geschadet. Er war es auch, der die leere Pillendose im Badezimmer gefunden hat. Phenobarbital. Und unter dem Bett lag eine leere Flasche Scotch. Der Arzt sagt, wenn sie sich nicht übergeben hätte, wäre sie weg gewesen. Es war um Haaresbreite.«
    Harry war im Ambulanzwagen mitgefahren und hatte zugesehen, wie der Sanitäter ihr Injektionen und Sauerstoff verabreicht hatte.
    »Immer wieder habe ich gesagt, ›Tu mir das nicht an, Maddie‹«, sagte er. »An mehr kann ich mich nicht erinnern, nur ›Bitte, tu mir das nicht an‹. War das nicht idiotisch? So selbstsüchtig. Zoe, sicher weißt du, daß Maddie und ich uns trennen wollen. Vielleicht wollte sie es mir auf diese Weise heimzahlen. Aber ich schwöre dir, ich hätte nie gedacht, daß sie so was tun könnte. Ich meine; es gab zu keiner Stunde böses Blut oder so; wir haben uns nicht gestritten, nichts. Kein Geschrei oder so. Ich hätte nie gedacht, daß sie…«
    »Vielleicht kommt ihr jetzt ja wieder zusammen«, sagte Zoe hoffnungsvoll.
    Aber er antwortete nicht, und nach einer Weile ließ sie ihn allein und begab sich auf die Suche nach Maddie.
    Vor der Intensivstation stieß sie auf einen jungen Arzt, der etwas auf ein Clipboard kritzelte. Sie fragte ihn, ob sie Mrs. Kurnitz sehen könnte.
    »Ich bin Zoe Kohler«, sagte sie. »Ich bin ihre beste Freundin. Sie können Mr. Kurnitz fragen. Er sitzt da hinten im Flur.«
    Er blickte sie ausdruckslos an.
    »Warum nicht?« meinte er schließlich, wobei sie wieder an ihr Armband denken mußte. »Es geht ihr nicht allzu schlecht. Hat das meiste von dem Zeug wieder ausgekotzt. Morgen abend kann sie schon wieder Twist tanzen. Aber bleiben Sie nicht zu lange.«
    Maddie lag in einem von weißen Paravents umgebenen Bett. Sie war bleich wie Wachs. Ihre Augen waren geschlossen. Zoe beugte sich über sie und ergriff eine ihrer Hände. Sie war kalt und schlaff. Maddies Augen öffneten sich langsam. Sie starrte Zoe an.
    »Scheiße«, sagte sie

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