Die dritte Todsuende
durch einen Mantel hätte verbergen können.
Von nun an würde sie sich konservativ anziehen und damit sowohl dem Portier ihres Hauses wie auch den Lockvögeln der Polizei in den Cocktail-Lounges der Hotels ein Schnippchen schlagen. Sie würde keine Perücke tragen und nur ein Minimum an Make-up benutzen.
Damit fiel auch die Notwendigkeit des Besuchs im Filmore an der West 72nd Street fort, weil sie sich ja nun nicht mehr verwandeln mußte. Sie konnte mit dem Taxi auf direktem Weg ans Ziel ihrer Wünsche fahren.
Natürlich konnte sie das Warum nicht?-Kettchen nicht mehr tragen, wie sie überhaupt ihr ganzes Vorgehen überdenken mußte. Sie konnte jetzt nicht mehr so tun, als sei sie sexuell »zu haben«. Ihre Kleidung, ihr Auftreten und ihr Benehmen, alles mußte sich von der veröffentlichten Beschreibung des Rippers abheben.
Unschuld! Das war die Antwort! Sie wußte, wie Jungfräulichkeit manche Männer erregte. War es bei Kenneth nicht auch so gewesen? Sie würde so jungfräulich auftreten, wie das einer Frau in ihrem Alter gerade noch möglich war. Und es würde ihr Spaß machen!
An der vierzigsten Straße, ein paar Schritte in östlicher Richtung von der Lexington Avenue, gab es ein Geschäft, in dem aus Südamerika importierte Kleider verkauft wurden.
»Ein wunderbares Kleid für eine Sommerparty«, sagte der Verkäufer. »Bequem, luftig und ganz und gar ungewöhnlich.«
»Ich nehme es«, sagte Zoe Kohler.
Dann blätterte sie begierig in der Branchenzeitung des Hotelgewerbes. An der 49th Street, westlich der Tenth Avenue, gab es ein Motor Inn, das Tribunal, in dem vom 29. Juni bis zum 2. Juli ein Kongreß leitender Angestellter von Schulen und Universitäten stattfand.
Als Zoe in ihrem Handbuch nachschlug, stellte sie fest, daß es sich bei dem Tribunal um ein relativ bescheidenes Hotel handelte — nur 180 Zimmer und Suiten sowie ein Café, ein Speisesaal und eine Bar. Und eine Cocktail-Lounge im Freien, die sich zusammen mit einem kleinen Pool auf dem Dach über dem sechsten Stock befand.
Das Tribunal lag vom Zentrum Manhattans so weit entfernt, daß es der Überwachung der Polizei vielleicht entgangen war. Und da es nicht viele Zimmer hatte, würde es von Touristen und Kongreßteilnehmern überquellen. Zoe Kohler entschied sich für das Tribunal. Eine Cocktail-Lounge im Freien mit Blick auf einen Swimmingpool. Das klang romantisch.
Ihre Krämpfe begannen am Sonntag, 29. Juni. Nicht gemächlich, schrittweise, an Intensität zunehmend wie normalerweise, sondern plötzlich, mit der Heftigkeit eines Schlages. Sie klappte zusammen und preßte die verschränkten Arme gegen ihren Unterleib.
Der Schmerz kam in Stößen und ließ sie zitternd zurück. Die Sohlen ihrer Füße brannten, ebenso ihre Haarwurzeln. Tief in ihrem Innern hatte sich eine glühende Faust in ihre Eingeweide gewühlt und verdrehte sie. Sie hätte am liebsten laut geschrien.
Sie schluckte alles mögliche, Anazin, Midol, Demerol. Sie rief Ernie an und verschob ihren geplanten Ausflug nach Jones Beach. Dann nahm sie ein heißes Bad. Ihr war übel. Ihr Kopf fühlte sich leicht an, wie ein gasgefüllter Luftballon. Sie versuchte ein Glas Weißwein zu trinken, aber noch ehe es halbleer war, mußte sie aus der Wanne springen, um sich in die Toilette zu übergeben.
Ihre Schwächeanfälle waren so heftig, daß sie Angst hatte, sich zu bewegen, ohne sich an Waschbecken oder Türklinke festzuhalten. Es fiel ihr schwer, ihre Bewegungen zu koordinieren. Sie sah alles doppelt, und als sie ihre schlaffe Brust umfaßte, fühlte sie ihr Herz wild hämmern.
»Was geschieht mit mir?« fragte sie laut, mehr verwirrt als von Panik erfüllt.
Am Montagmorgen erwachte sie zu spät und redete sich ein, daß es ihr besser gehe. Ihre Periode hatte noch nicht begonnen. Der stechende Schmerz war abgeklungen, hatte aber einen bleiernen Druck zurückgelassen, der ihre Eingeweide nach unten zu drücken schien. Sie hatte die entsetzliche Vision, ihre gesamten Innereien auszuscheiden.
Sie wagte nicht, auf die Waage zu steigen, aber die Hautverfärbungen in den Ellenbogen, an den Knien und zwischen den Fingern waren unübersehbar. In Erinnerung an Dr. Starks Test zupfte sie an ihrer Scham; sie behielt mehrere Haare in der Hand, trocken und drahtig.
Sie rief Everett Pinckney im Hotel an. Er war sehr verständnisvoll und versicherte, sie würden schon einen Tag lang ohne sie auskommen, und wenn notwendig, könne sie auch noch den Dienstag freihaben.
Sie lag auf
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