Die dritte Todsuende
Schuhe aus und sanken auf die lange Couch.
»Diese Leute…«, sagte er mit einem Kopfschütteln. »Ich komme einfach nicht darüber hinweg. Denen ist überhaupt nichts mehr heilig, oder?«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Es war alles so — häßlich.«
»Ja«, sagte er und nickte, »häßlich.«
»Vielleicht gar nicht einmal so sehr häßlich als gemein und vulgär. Es macht Sex so billig.«
»Sex zur Entspannung«, sagte er. »So reden sie darüber, und genau die Einstellung haben sie auch dazu. Wie zu Tennis oder Jogging. Ein Zeitvertreib mehr. Hast du diesen Eindruck nicht auch gehabt, als du all diese Leute beobachtet hast? Ihre Art zu tanzen spricht doch Bände.«
»Nacktes Fleisch, wohin man blickte!«
»Und wie sie sich bewegt haben! So eindeutig!«
»Ich, eh, vermute, sie machen — sie geben sich — sie gehen danach miteinander ins Bett, oder Ernie?«
»Das ist anzunehmen, ja. Das Tanzen war nur ein Vorspiel. Hattest du nicht auch diesen Eindruck?«
»Oh, ja, ihre Tänze waren ganz unzweifelhaft der reine Sex.
Definitiv. Es war so deprimierend. In gewisser Weise. Ich meine, daß miteinander zu schlafen so alle Bedeutung für sie verloren hat. Findest du nicht auch? Daß es für sie nichts anderes ist als essen und trinken.«
»Meiner Meinung nach«, sagte er und blickte ihr direkt in die Augen, »meiner Meinung nach hat Sex — ich meine, physischer Sex — ohne Gefühl, ohne eine emotionelle Beziehung nicht die geringste Bedeutung.«
»Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Ohne Liebe ist es nur ein billiger Kitzel.«
»Ein billiger Kitzel«, wiederholte er. »Genau. Aber ich nehme an, wenn wir das diesen Leuten zu erklären versuchten, würden sie uns bloß auslachen.«
»Vermutlich, aber das ist mir egal. Ich glaube trotzdem, daß wir recht haben.«
Einen Moment lang tranken sie schweigend ihren Brandy.
»Ich würde gern mit dir schlafen«, sagte er plötzlich.
Sie blickte ihn ausdruckslos an.
»Aber ich würde es nie wirklich tun«, fügte er hastig hinzu. »Ich meine, ich würde dich nie darum bitten. Zoe, du bist eine wunderbare, erregende Frau, aber wenn wir miteinander ins Bett gehen würden, du weißt schon, eh, so nebenbei, dann wären wir genau wie diese Leute, die wir heute abend gesehen haben.«
»Tiere«, sagte sie.
»Ja, genau. Ich will keinen billigen Kitzel, und ich glaube, du auch nicht.«
»Nein, Liebling, sicher nicht. Das will ich ganz sicher nicht.«
»Manchmal denke ich«, sagte er langsam, bemüht, seine Eindrücke in Worte zu kleiden, »daß man, wenn man heiratet, eine Art Erklärung abgibt. So was wie ein Zeugnis. Man unterzeichnet ein juristisches Dokument, das besagt, daß es dir wirklich nicht nur um einen billigen Kitzel geht, sondern um mehr, etwas Wichtigeres. Man gelobt, den anderen zu lieben, auf immer und ewig. Ist das nicht der Sinn der Ehe?«
»Ich nehme an, so sollte es sein«, sagte sie traurig. »Leider scheint es nicht immer zu klappen.«
Sie schob sich an ihn heran, legte ihre Hand um seinen Hals. Sie zog seinen Kopf zu sich und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
»Du bist ein Idealist«, flüsterte sie. »Ein süßer Idealist.«
»Wahrscheinlich bin ich das«, sagte er. »Aber sind meine Wünsche so unmöglich?«
»Was wünschst du dir denn?«
»Ein erfülltes Leben. Einen Sinn, wenn du so willst. Ich gehe jeden Tag zur Arbeit, komme nach Hause und brate mir einen Hamburger. Ich sehe fern. Ich will mich nicht beklagen, ich habe einen guten Job und alles. Aber es muß doch noch mehr geben als das. Und ich meine jetzt keine Affären für eine Nacht. Oder eine endlose Reihe solcher Affären. Das Leben muß noch mehr sein als nur das.«
»Willst du heiraten?« fragte Zoe leise, in Erinnerung an Maddies Instruktionen.
»Ich glaube. Ja, ich glaube, das möchte ich. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber der Gedanke erschreckt mich, weil er so etwas Endgültiges hat. Jedenfalls sehe ich es so. Ich meine, schließlich ist es für immer, oder nicht? Zumindest sollte es das sein. Aber obwohl der Gedanke mir Angst einjagt, sehe ich keine Alternative. Ich sehe nichts, was mich meinen Zielen ähnlich nahe bringen würde. Ich mag meine Arbeit, aber das ist nicht genug.«
»Eine Leere«, sagte sie. »Eine Lücke. Das ist mein Leben.«
»Ja«, sagte er eifrig. »Du hast mich verstanden. Wir wollen beide etwas, oder nicht? Erfüllung. Wir wollen, daß unser Leben einen Sinn hat.«
Die Entblößungen, die an jenem Samstagnachmittag im
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