Die dritte Todsuende
flüsternd. »Ich hab's vermasselt, was? Ich mache alles falsch.«
»Ach, Maddie«, sagte Zoe Kohler traurig.
»Ich habe die verdammten Pillen runtergeschluckt, und um ganz sicherzugehen, habe ich dann auch noch den ganzen Whiskey getrunken. Aber sie sagen, ich hätte alles wieder ausgekotzt.«
»Hauptsache, du lebst«, sagte Zoe.
»Hipp, hipp, hurra!« sagte Maddie und ließ ihren Kopf zur Seite sinken. »Ist Harry noch da?«
»Er ist draußen. Möchtest du ihn sehen, Maddie?«
»Warum, zum Teufel, sollte ich das wollen?«
»Er nimmt es sehr schwer. Er ist völlig zusammengebrochen.«
Maddies Mund verzerrte sich zu einem Grinsen ohne die geringste Fröhlichkeit.
»Er denkt, es wäre seinetwegen«, sagte sie. »Das männliche Ego. Dabei ist er mir völlig egal.«
»Aber warum dann…?«
Maddie starrte Zoe an. »Ich wollte einfach nicht mehr aufwachen«, sagte sie. »Wieder ein Tag. Wieder ein idiotischer, leerer, verdammter Tag. Harry hat nichts damit zu tun. Es war meinetwegen.«
»Maddie, ich… Maddie, ich verstehe dich nicht.«
»Was soll das alles? Kannst du mir das sagen? Was soll dieser ganze verdammte Dreck?«
Zoe schwieg.
»Ach, Scheiße«, sagte Maddie. »Wie deprimierend das alles ist. Gibt es etwas Deprimierenderes, als einfach nur am Leben zu sein? Wer hat das bloß erfunden?«
»Maddie, das ist doch nicht deine wirkliche —«
»Erzähl mir nicht, wie ich mich zu fühlen habe, Herzchen. Du hast keine Ahnung, nicht die geringste Ahnung. Ach, Scheiße, es tut mir leid«, fügte sie sofort hinzu, wobei der Griff ihrer Hand fester wurde. »Du hast ja auch deine Probleme.«
»Aber ich dachte, du wärst…«
»Ein Faß voll guter Laune?« fragte Maddie mit herabgezogenen Mundwinkeln, »platzend vor Vitalität? Dafür muß man jünger sein, Liebchen. Wenn die Titten anfangen, durchzuhängen, dann wird's Zeit, Inventur zu machen. Mir war wohl einfach klargeworden, daß meine besten Zeiten hinter mir liegen und die Zukunft mehr Mut erfordert, als ich habe. Ich bin ein Sprinter, Schätzchen, kein Marathonläufer.«
»Glaubst du wirklich, daß du und Harry…«
»Ja. Das ist aus und vorbei. Kaputt. Er ist heute abend mit seinem Häschen ins Heu gehüpft, und als er nach Hause kam, hat er mich bei meinen letzten Atemzügen erwischt. Große Tragödie. Schuldgefühle. Deswegen flattert er jetzt so. Morgen abend wird er bereits wütend sein, weil ich seinen Nachtschlaf gestört habe. Ach, zum Teufel, ich mache ihm keine Vorwürfe. Aber es ist nun mal vorbei. Er weiß es, und ich weiß es.«
»Was wirst du nun tun, Maddie?«
»Tun?« fragte sie mit einem strahlenden Lächeln. »Ich will dir sagen, was ich tun werde. Das Schlimmstmögliche. Ich werde weiterleben.«
Draußen auf dem Flur lehnte Zoe sich für einen Moment mit geschlossenen Augen gegen die Wand. Wenn Maddie, wenn eine Frau wie Maddie nicht gewinnen konnte, dann konnte niemand gewinnen. Sie wollte es nicht glauben, aber so war es.
Dr. Oscar Stark rief sie im Büro an.
»Möchte mich nur mal nach dem Wohlergehen meiner Lieblingspatientin erkundigen«, sagte er fröhlich. »Wie geht's uns denn in letzter Zeit, Zoe?«
»Danke, gut, Doktor.«
»Aha. Nehmen Sie auch regelmäßig Ihre Medizin?«
»Oh, ja!«
»Kein übermäßiges Bedürfnis nach Salz?«
»Nein.«
»Und sonst? Fühlen Sie sich manchmal müde, erschöpft, ausgebrannt?«
»Ganz und gar nicht«, log sie leichthin. »Nichts dergleichen.«
»Schlafen Sie gut? Ohne Tabletten?«
»Ja, ich schlafe gut, danke.«
Er seufzte. »Sie stehen doch nicht unter Streß, Zoe? Ich meine nicht notwendigerweise physischen Streß, sondern privaten oder emotionalen Streß.«
»Nein.«
»Sie tragen doch das Kettchen, oder? Mit den Angaben über Ihre Krankheit? Und die Spritze?«
»Aber ja, ich habe sie ständig bei mir.«
Er schwieg einen Moment, dann sagte er herzlich: »Na gut. Wir sehen uns ja, ein paar Minuten, am Dienstag, dem ersten Juli. Richtig?«
»Ja, Doktor. Das stimmt.«
»Falls sich irgend etwas ergeben sollte — Schwächeanfälle, Übelkeit, ungewöhnlicher Gewichtsverlust, Schmerzen im Unterleib — rufen Sie mich an, nicht wahr?«
»Natürlich, Doktor. Danke für Ihren Anruf.«
Sie überlegte sich alles genau…
Die Zeitungen hatten die Kleidung des Hotel-Rippers als »grell« beschrieben. Also mußte sie ihre hautengen Kleider mit den tief angesetzten Ausschnitten vergessen. Darüber hinaus war es inzwischen zu warm, als daß sie eine solche Verkleidung noch
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