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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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schwarz und glänzend. Federnde Löckchen wippten über ihren Augenbrauen, während das künstliche Haar hinten in schweren, dicken Wellen fast bis auf die Schultern fiel. Sie rückte die Perücke zurecht und drehte den Kopf dabei nach rechts und links, genau wie es die andere Frau vorher getan hatte.
    Zufrieden begann sie sich zu schminken. Sie tönte die Brauen dunkler, trug Wimperntusche auf und silberblauen Lidschatten. Puder und Rouge für die Wangen und tiefes Karmesinrot mit feuchtem Glanz für die Lippen.
    Sie arbeitete schnell. Selbst in dem halbblinden Spiegel wirkte sie jetzt sprühend und vital. Sie war plötzlich eine warme, sinnliche Frau, für jedes Vergnügen zu haben. Funkelnde Augen blickten herausfordernd und verheißend.
    Sie öffnete ihren Mantel, um das Kleid an den Hüften glattzustreichen, wobei sie sich leicht hin und her wand, um sicherzugehen, daß es ohne Falten saß. Sie zupfte den Ausschnitt zurecht, atmete tief ein und betrachtete ihre Zähne im Spiegel.
    Schließlich warf sie sich den Trenchcoat um, zog den Gürtel fest, ohne den Mantel zuzuknöpfen, und klappte den Kragen im Nacken hoch. Ihr Hals und der Ansatz ihres Busens waren noch deutlich zu sehen.
    Durch das Hotelfoyer ging sie zum Ausgang. Die Ledertasche baumelte von ihrer Schulter. Die Männer im Foyer starrten sie an. Die Männer, die draußen auf dem Bürgersteig vorbeigingen, starrten sie an. Sie zündete sich eine Zigarette an und rauchte mit theatralischen Bewegungen.
    Eine Melodie summend, wartete sie unter der Markise auf ein Taxi.
    Das Pierce, Manhattans neuestes Hotel, nahm zwischen der 56th Street und 57th Street einen ganzen Block an der Sixth Avenue ein. Es verfügte über 1200 Zimmer, mehrere Suiten, Penthouses, Bankettsäle, Konferenzräume, einen riesigen Versammlungssaal und einen Nightclub auf dem Dach.
    Unter dem Foyer im Erdgeschoß lagen die drei Speisesäle, eine Snackbar, eine Cafeteria, ein halbes Dutzend Geschenkläden und Boutiquen, Reisebüros und Bekleidungsgeschäfte, vier Cocktail-Lounges, ein Buchladen und das Büro eines Börsenmaklers. »Sie können Ihr ganzes Leben im Pierce verbringen«, prahlte die Werbung.
    Zoe Kohler hatte das Pierce ausgewählt, weil sie wußte, daß es zur Zeit die Gäste von drei verschiedenen Tagungen beherbergte; die Cocktail-Lounges unter dem Foyer waren mit Sicherheit überfüllt. Sie entschied sich für das El Khatar, eine Bar im maurischen Stil.
    Sie blieb einen Moment im Eingang stehen und blickte sich einfach nur um, als sei sie mit jemand verabredet. Als die Garderobiere auf sie zutrat, reichte sie ihr ihren Trenchcoat und ging langsam zur Bar, wobei sie immer noch die Rolle einer Dame spielte, die auf ihren Begleiter wartet.
    Die Bar war überfüllt: Singles, Paare, kleine Gruppen. Ein paar Frauen hatten einen Sitzplatz ergattert, aber die Männer standen in Zweier- und Dreierreihen dahinter. Der Raum war schrecklich überheizt, verräuchert und von einem ekelerregenden Geruch nach billigem Weihrauch erfüllt. Kreischende Gespräche. Explodierendes Gelächter. Der blecherne Klang arabischer Flötenmusik. Zoe fragte sich, wie lange sie es in diesem lärmenden Sumpf wohl aushalten würde.
    Einen Augenblick lang blieb sie neben der Bar stehen, das Kinn vorgestreckt, den Rücken durchgedrückt.
    Ein rotgesichtiger Mann mit zerzaustem Haar und verrutschter Krawatte trat plötzlich zurück und versetzte Zoe einen heftigen Stoß.
    »Hoppla!« sagte er und griff nach ihrem Arm, um sie festzuhalten. »Entschuldigung, Lady. Hat's weh getan?«
    »Nein, nein«, sagte sie, lächelte ihn kläglich an und rieb sich den Arm. »Ist schon gut.«
    »Ganz und gar nicht«, protestierte er. »Tut mir verdammt leid. Darf ich Ihnen einen Drink spendieren? Verzeihen Sie mir dann?«
    »Danke«, sagte sie, immer noch lächelnd, »aber ich zahle selber. Wenn Sie mir ein Glas Weißwein bestellen würden, wäre mir schon sehr geholfen. Ich komme einfach nicht bis zur Bar durch.«
    Sie kramte in ihrer Tasche herum, aber er rief mit großer Geste: »Ihr Geld ist hier nichts wert, Süße. Ihr Drink geht auf Kosten des Hauses — meines Hauses!«
    Er und sein Freund hielten diese Bemerkung für ein ausgesprochen witziges Bonmot. Sie prusteten vor Lachen und beugten sich über ihre Gläser. Ein paar Minuten später hatte Zoe ihr Glas Weißwein.
    »Kommen Sie, leisten Sie uns Gesellschaft«, drängte der rot-gesichtige Mann. »Ich und mein Kumpel hier haben uns schon den ganzen Abend gegenseitig

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