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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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aber allein der Gedanke an Essen versetzte ihren Magen in Aufruhr. Sie goß sich ein Glas kalten Wodka ein und nahm es mit ins Wohnzimmer.
    Sie kauerte sich auf die Couch und starrte in die Dunkelheit. Sie versuchte, sich zu konzentrieren und ihren Körper zu spüren. Aber sie empfand nur tiefe Schmerzen, ein beständiges Unwohlsein, das ihren Geist schwächte und ihre Sinne auszehrte.
    War dies der Beginn des Todes — diese vollkommene Kapitulation vor der Agonie des Lebens? Frieden, Frieden. Etwas, das sie warm und bequem umgab. Etwas Vertrautes, Nahes. Dieses Hinübergleiten schien etwas ungeheuer Kostbares zu haben. Und am Ende keine Schmerzen mehr…
    Plötzlich merkte sie, daß sie weinte, und wunderte sich, daß ihr ausgetrockneter Körper überhaupt noch Flüssigkeit produzieren konnte. Die warmen, dünnen Tränen rannen ihre Wangen hinunter, und sie gab sich keine Mühe, sie fortzuwischen. Fast hatte dieser sichtbare Beweis ihres Elends etwas Ruhmvolles.
    »Arme Zoe Kohler«, sagte sie laut, und die Worte berührten sie so stark, daß sie schluchzte und nach Luft schnappte.
    Was sie nicht verstehen konnte, was sie nie verstehen würde, war, womit sie dieses Unglück verdient hatte.
    Sie hatte sich immer ordentlich angezogen und ihren Körper sauber gehalten. Nie hatte sie unanständige Worte benutzt. Sie war immer höflich und zuvorkommend gewesen, zu jedermann. Wen hatte sie verletzt? Hatte sie nicht immer versucht, sich wie eine Dame zu benehmen?
    Vielleicht hatte es ein paar Gelegenheiten gegeben, ganz wenige, bei denen sie sich vergessen, ihr wahres Wesen verleugnet und sich ungeschliffen und vulgär benommen hatte. Aber der größte Teil ihres Lebens war ohne Fehl und Tadel gewesen, fleckenlos; sie hatte alles beherzigt, was ihre Mutter sie gelehrt hatte.
    Und doch hatte alles, alles sie nur an diesen einen Punkt geführt, wo sie allein in der Dunkelheit saß und weinte, eingehüllt in den Geruch ihres verfallenden Körpers, gehetzt von gefühllosen Männern, die nicht aufhören würden, in Dingen herumzustochern, die sie' nichts angingen.
    Arme Zoe Kohler. Alle Leidenschaft verbraucht, alle Hoffnung dahin. Nur die Schmerzen blieben.
    Mittwoch und Donnerstag, 23. und 24. Juli…
    Delaney konnte nicht anders, er mußte sie einfach sehen:
    »Man kann eine Menge über Menschen in Erfahrung bringen, indem man sie einfach beobachtet«, erklärte er Monica. »Wie sie gehen, wie sie gestikulieren. Reiben sie sich die Augen oder putzen sie sich dauernd die Nase? Wie sie sich eine Zigarette anzünden. Warten sie an einer Fußgängerampel oder rennen sie einfach über die Straße? Haben sie irgendwelche nervösen Angewohnheiten? Wie ziehen Sie sich an? Farbe und Stil. Zwinkern Sie häufig? Lecken Sie sich über die Lippen? Und so weiter.«
    Schweigend lauschte Monica seinem Vortrag, den Kopf gesenkt, die Augen auf die Stopfarbeit in ihrem Schoß gerichtet.
    »Nun?« fragte er.
    »Nun was?«
    »Ich dachte, du wolltest vielleicht etwas dazu sagen.«
    »Nein, will ich nicht.«
    »Vielleicht hilft es mir, sie besser zu verstehen. Warum sie getan hat, was sie getan hat. Hinweise auf ihre Persönlichkeit.«
    »Wie du meinst, Liebling«, sagte sie.
    Er betrachtete sie argwöhnisch. Er traute ihr nicht, wenn sie so friedfertig war.
    Er erklärte Abner Boone, was er beabsichtigte, und der Sergeant hatte nichts dagegen einzuwenden.
    »Aber Sie sollten Bentley Bescheid geben«, schlug er vor. »Er kann seinen Leuten sagen, daß Sie sie auch beschatten. Für den Fall, daß sie Sie bemerken und Verstärkung herbeirufen.«
    »Sie werden mich nicht entdecken«, sagte Delaney beleidigt.
    Aber er entdeckte sie: die ungekennzeichneten Fahrzeuge vor dem Hotel Granger und Zoe Kohlers Appartementhaus, die Polizistinnen in Zivil, die der Verdächtigen zu Fuß folgten.
    Einige der Beschatter waren gut, andere ungeschickt. Aber Zoe schien keinen von ihnen zu bemerken.
    Er paßte sie am Mittwochmorgen um acht Uhr dreiundvierzig an der Ecke 39th Street und Lexington Avenue ab und folgte ihr zum Granger. Er lungerte eine Weile herum, dann marschierte er in das Hotel und inspizierte das Foyer, den Speisesaal und die Cocktail-Bar.
    Um zwölf Uhr mittags war er wieder da, und als sie zum Mittagessen ausging, folgte er ihr zu einem Schnellimbiß an der Third Avenue und zurück zum Granger. Um fünf Uhr nachmittags erschien er zum drittenmal, um ihr nach Hause zu folgen. Er ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen.
    »Was für eine Frau ist

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