Die dritte Weissagung
Sippe. Ilja zuckte zusammen, als würde ihn der Blick des Besuchers wie ein spitzer Pfahl durchbohren.
Er schwieg lange.
In dieser Zeit hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen gehört.
Schließlich sagte Ilja, über Landru hinwegschauend und mit einem Gesicht, als ekelte ihn vor seiner eigenen Entscheidung: »Solange du das Gastrecht ehrst, kannst du meinetwegen bleiben.«
Landru verbeugte sich, ohne sich die geringste Mühe zu geben, die Ironie dieser Geste zu verbergen. Dann überbrückte er die Distanz zwischen sich und Irina und reichte ihr eines der bunten Tücher, die er in der Hand hielt. »Normalerweise erhält bei Besuchen nur das Oberhaupt ein Gastgeschenk von mir. Aber ich finde, du solltest nicht leer ausgehen. Du bist nicht nur mutig, sondern auch sehr schön. Nimm - es wird dich kleiden, und vielleicht macht es dich mir . gewogen.«
Irina ahnte in diesem Moment noch nicht, was genau er damit meinte. Fast unbewußt streckte sie die Hand aus und nahm das Geschenk entgegen.
Kaum daß sie es berührte, durchflutete sie ein warmes Gefühl der Erregung.
Sie schauderte und schaute Landru nach, der zu Ilja hinaufstieg und ihm ebenfalls ein Tuch überreichte. Der Patriarch der Sippe war aufgestanden, zögerte zunächst, griff aber schließlich doch zu.
Irina sah ihn kurz wanken und die Augen dabei schließen. Nach einem Seufzer schien er sich jedoch wieder gefangen zu haben.
»Ich hoffe, euch gefallen die Tücher«, sagte Landru, als hätte er die kurze Unpäßlichkeit nicht bemerkt. »Es sind besondere Webarbeiten aus dem fernen Afrika. Ich brachte sie von einer meiner Reisen auf der Suche nach dem Kelch mit. Ein eigenwilliger Künstler hat sie erschaffen. Vielleicht habt ihr seinen Namen schon einmal gehört: El Nabhal ...?«
Irina und Ilja verneinten unisono.
»Ich werde dir eine Unterkunft herrichten lassen.« Die Stimme des Patriarchen klang, als hätte ihn eine jähe Erschöpfung übermannt. Er setzte sich auf den Thron zurück und betrachtete das Tuch in seinen Händen.
»Nicht nötig. Er kann bei mir unterkommen«, hörte sich Irina sagen. »Ich habe eine neue Zofe. Sie wird für unser beider Bequemlichkeit sorgen .«
Landru signalisierte dazu stumm lächelnd sein Einverständnis.
*
Als sie die Suite betraten, eilte ihnen Anna in adretter Kleidung entgegen, und Irina fragte Landru: »Ist die Tasche, die du umhängen hast, dein einziges Gepäck?«
»Es genügt. Wozu unnötigen Ballast mit sich schleppen? Ich kam stets zurecht.«
Sie glaubte ihm aufs Wort. Als die Zofe die Hände ausstreckte, um die Tasche aus braunem, abgewetzten Leder entgegenzunehmen, zögerte Landru.
Dieses kurze Zögern - auch nachdem es überwunden war und der Sippenlose sich des Gepäcks entledigt hatte - verriet Irinas erfahrenem Blick, daß sich etwas Wertvolles in der Tasche verbergen muß -te. Vielleicht nur etwas von ganz persönlicher Bedeutung für Land-ru, möglicherweise aber auch ein Schatz.
»Gib gut darauf acht«, gab Landru der Zofe mit auf den Weg, als sie in einem der angrenzenden Zimmer der Suite verschwand.
Irina wollte ihr folgen, aber Landru bewies ihr, daß er nicht nur ein Mann starker Worte war.
Er ließ Taten sprechen.
Irina leistete keinen nennenswerten Widerstand, als er ihr das eng geschnürte Kleid vom Leibe riß und sekundenlang begehrlich mit seinen Augen auf ihren entblößten Brüsten weidete.
Die jederzeit mögliche Rückkehr der Zofe schien ihn nicht zu stören. Warum auch? Daß Anna eine Dienerkreatur war, hatte er auf einen Blick erkannt. Und selbst wenn es eine lebendige Frau aus Fleisch und Blut gewesen wäre, hätte ihn dies seine Gier kaum eine Minute länger zügeln lassen.
»Du scheinst lange keine Frau mehr gehabt zu haben«, stöhnte Irina.
»Lange keine Vampirin«, erwiderte er, als lege er Wert auf diese Unterscheidung. Sein Mund fand die harte Knospe ihrer Brust und saugte ungestüm daran.
Im nächsten Moment jammerte Irina unter einem nie erlebten Gefühl aus Schmerz und überbordender Lust.
Er hat zugebissen, dachte sie. Dieser respektlose Teufel hat ... zugebissen.
»Wenn Ilja uns so sähe, würde er .«
Landru löste kurz den Mund von ihrer blutenden Brust. Seine Lippen schimmerten, als hätte er schwarze Tinte getrunken. »Denk nicht mehr an ihn. Er hat selbst das Urteil über sich gefällt. Ich hätte ihn geschont, hätte er mir Garantien gegeben, dem Wahnsinn Einhalt gebieten zu wollen. Nun nimmt alles seinen Lauf .«
Irina erschrak bis ins
Weitere Kostenlose Bücher