Die Drohung
passiert … wie wollen Sie das verantworten, Holden?«
»Es wird ihr kein Haar gekrümmt.«
»Sind Sie so sicher? Mann, Sie haben Angst wie wir alle!« Beutels hob den Telefonhörer ab. »Ich veranlasse jetzt die Japanreise und die Überwachung durch den ›schönen Siegfried‹. Ich rate Ihnen noch einmal, Holden: Ziehen Sie sich aus dem Geschäft zurück … oder liefern Sie Helga Bergmann bei uns ab. Was Sie mit Ihrem Leben anstellen, ist mir Wurscht.«
Vom Präsidium fuhr Holden sofort zu Helgas Fotoatelier in Schwabing. Als er dort eintraf, saß Kriminalobermeister Dehwall schon im Warteraum, las in der ›Fotowelt von morgen‹, grinste Holden an und nickte ihm zu. Beutels hatte ihm ein Foto des Amerikaners mitgegeben.
»Schnelle Arbeit«, sagte Holden anerkennend. »Aber langweilig, was?«
»Das kann ich nicht sagen.« Der ›schöne Siegfried‹ lächelte wie ein Engelsköpfchen. »Ich habe bereits drei Einladungen von Schwulen gesammelt und zwei Mannequinanfragen: ›Sag mal, Hübscher, biste bi? Kannst meine Telefonnummer haben.‹ Nein, langweilig wird das nicht, eher anstrengend. Bis zum Abend stehe ich in einer Rundumverteidigung …«
Holden setzte sich zu Helga ins Atelier. Sie begrüßte ihn mit einem Kopfnicken und tauchte dann wieder hinter ihren Apparaten und Scheinwerfern unter. Vor einer roten Leinwand, die an Rollen von der Decke hing, posierten zwei überschlanke Mädchen in Badeanzügen. Ihr etwas dümmliches Lächeln erfror, wenn Helgas Kameras klickten. Dann veränderten sie die Position, das linke Bein vor, Kopf schräg, die Haare weich fallend, die Arme über dem Kopf. Klick! Etwas zur Seite, Hüfte raus, die Brust stramm, Arme nach hinten, wie eine Sonnenanbeterin, lächeln, Mädchen, lächeln … Klick.
Ein Dressman sprang in den Kreis, knappe Schwimmshorts, bunt gemustert, ein breiter Brustkorb, schmale Hüften, lange Beine, sonniges Lächeln, beste Jacketkronen, lockiges schwarzes Haar bis tief in den Nacken, ein markantes Kinn, sehr männlich, sehr wirksam … aber der Blick, mit dem er Holden musterte und der an Rics Hose hängenblieb, war weniger männlich.
»Zwischen Laila und Margot, Bernie!« rief Helga und winkte mit beiden Händen. »Leg die Arme um sie, rechtes Bein vor, als wärst du gerade zwischen sie gelaufen. Kopf höher! Verdammt, grins nicht, du sollst lachen. Du hast zwei tolle Zähne aufgerissen!«
Die rote Leinwand veränderte sich. Jetzt erst sah Holden, daß die Farbe nur draufprojiziert war … das Rot verschwand, jetzt folgte eine Landschaft, Palmen und ein unwahrscheinlich blaues Meer, so greifbar nahe und plastisch bewegt, daß Holden meinte, das Meeresrauschen zu hören, füllten die Atelierwand aus. Vor diesem Hintergrund wirkten die Modelle, als seien sie der Brandung entsprungen und liefen über goldgelben Sand der Sonne entgegen.
Klick.
»Gut so! Legt euch hin. Bernie unten, die Mädchen oben drauf. Balgt euch! Bewegung, Kinder! Lebensfreude! Ihr braucht Bernie ja nicht gerade in die Hose zu greifen! So ist's gut!«
Klick.
Holden hielt geduldig aus. Drei Stunden Palmen, See, Sand … dann Hochgebirge, saftige Almen, eine verträumte Hütte. Zum Schluß Ballsaal, große Toilette, so vornehme Eleganz, daß Holden Komplexe bekam wegen seiner Schäbigkeit. Zum Abschluß ein Walzer … Bernie im Frack, Laila in einem Abendkleid griechischen Stils, die linke Schulter nackt, weiße, fließende Seide, mit einem goldenen Meanderfries verziert, Olympiastile.
Klick.
»Fertig«, sagte Helga Bergmann und knipste die Scheinwerfer aus. Sie kam zu Holden, beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Stirn. »War's langweilig, Darling?«
»Keineswegs.« Holden grinste breit, »ich hatte nur gehofft, daß du ein paar tolle Akte fotografierst.«
»Morgen! Aber nur Männer. Für das Magazin ›Mein Freund‹.«
»Danke. Das wäre langweilig. Hast du eine Zigarette?«
»Warte.«
Sie holte eine Schachtel, steckte zwei Zigaretten an und reichte eine davon Holden.
»Auch 'n Whisky?«
»Danke. Ich habe Beutels' Cognacflasche leergesoffen.«
»Ärger?« Sie setzte sich auf seinen Schoß. Ungeniert zogen Laila und Margot ihre Abendkleider aus, sprangen nackt im Atelier herum, kicherten, halfen sich gegenseitig in ihre Büstenhalter. Bernie, der männlichste Mann, den Holden bisher gesehen hatte, rannte in seinem Modellfrack hinaus. Es war klar, daß er jetzt den ›schönen Siegfried‹ bearbeitete, ihm den angebrochenen Abend zu widmen.
»Ja, Ärger«,
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