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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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von weitem ab, wenn er die ganze Familie Bossolo an der Haustür stehen und warten sah, und auch eine Nachfrage bei der Post, ob die Anweisung vielleicht verlorengegangen oder geklaut worden sei, brachte keine Klarheit in das Rätsel.
    »Irgendein Strolch von der Bank hat die Lire eingesackt!« schrie der alte Bossolo. »Ich fahre nach Cosenza! Was hört man nicht alles von diesen Bankleuten! Überall Unmoral! Man sollte zum Ausgleich eine Kasse überfallen, was haltet ihr davon?«
    Mamma Erminia schwor auf die Mutter Gottes, verbrachte jeden Tag eine Stunde in der Kirche und war sich sicher, daß solche Fürbitte einmal Frucht tragen müßte.
    Hier sprach sie auch mit einem der Männer Lepkins, der sich als Zaumzeugvertreter für Maulesel vorstellte und sich nach der Geschäftslage im Dorf erkundigte. Erminia schätzte seine Verkaufsaussichten als sehr mies ein, aber Lepkins Auge und Ohr konnte melden, daß von Pietro Bossolo in Alvarengo nicht ein Stäubchen vorhanden sei. Auch der zweite Mann, der die Grundstücksmakler in Cosenza abklapperte, weil Lepkin annahm, daß Bossolo sein Geld in Landkäufen anlegen würde, wie es ein braver Italiener tut, meldete Mißerfolg auf breiter Ebene.
    Smelnowskis fröhliche Männer – Lepkin nannte sie ›Unsere Hurenarmee‹ – lungerten auch bei der ›Dicken Emma‹ herum, aber ihnen fehlte der Geruchssinn der Jagdhunde: Sie rochen Bossolo nicht, der zwei Etagen höher auf den zweiten Anruf von Dr. Hassler wartete und auf die restlichen 5.000 Dollar.
    »Ick weeß zwar nicht, welche Schweinerei da jerührt wird«, hatte Emma Pischke gesagt, als sie ihren Anteil von 1.000 Dollar kassierte, »aba ick rate dir, bleib solange hier, bis de Olympischen Spiele nur noch Historie sind. Det Jeld schließ ick ein in'n Tresor, da verfault et nich', wird nich' weniger, und wennste nach deinem Kalabrien wegziehst, biste 'n jemachter Mann. Ick jönn et dir, Pietro. Komm, sing mir noch 'n Lied aus Bella Italia.«
    Man kann nicht sagen, daß Bossolo schlecht lebte, nur etwas einsam war ihm zumute. Er kam sich wie in einer Zelle vor, nur das Essen war besser. Spazierengehen durfte er nur im Hof, aber während bei den Rundläufen im Gefängnis wenigstens heller Tag war und die Sonne schien, schnappte Bossolo hier nur Nachtluft, und statt des Aufsehers stand Emma Pischke an der Mauer und hielt einen Revolver, Kaliber 9 mm, eine unwahrscheinliche Kanone, in der Hand.
    »Wer über de Mauer guckt, dem knall ick eene!« sagte sie drohend. »Mit de Jeheimdienste is nich' zu spaßen. Die Brüder sind mit Pech und Schwefel jetauft.«
    Stepan Mironowitsch Lepkin blies nach zwei Wochen die Aktion ›Hurenarmee‹ ab. Aus Moskau hatte Abetjew verlauten lassen, daß der KGB auf gar keinen Fall die Münchner Bordelle zu finanzieren gedenke.
    »Ein Mensch ohne Weitblick, ich sag' es immer«, klagte Lepkin. »Es ist ein Wunder, daß der Apparat noch so gut läuft bei dem wenigen Öl, das im Getriebe ist.«
    Als Lepkin an diesem Abend, elegant wie immer, mit einer roten Nelke im Knopfloch das Holiday Inn verließ, um mit einem Taxi zum anderen Ende der Leopoldstraße zu fahren – das ›Boulevard Fick-fick‹, wie Kenner sie nannten, denn nach Einbruch der Dunkelheit begannen hier die herrlichsten Blüten zu duften, langmähnig, langbeinig, mit geöffneten Kelchen –, fiel ihm seine Militärzeit und die Ausbildung zum KGB-Offizier in Winniza wieder ein, denn plötzlich knallte es kaum hörbar und eine Kugel pfiff dicht an seiner Schläfe vorbei. Lepkin machte einen Hechtsprung hinter den Kühler des Taxi, der Chauffeur, der nichts gehört hatte, riß die Augen auf, blieb steif und abwartend sitzen und beobachtete interessiert, was dieser Besoffene noch alles anstellen würde. Es knallte noch einmal, ein Querschläger heulte über den Asphalt, und Lepkin, unbewaffnet – wer geht schon mit einer Nagan in ein Weiberbett? –, kroch noch mehr in sich zusammen. Er lag auf dem Gehsteig, ein paar Spaziergänger, die gerade um die Ecke bogen, starrten erst ihn und dann den Taxifahrer an, sagten: »Is dös a neue Form von ›Trimm dich‹?« und gingen lachend weiter.
    Lepkin wartete noch ein paar Sekunden, dann richtete er sich vorsichtig auf. Es fiel kein dritter Schuß, und bei einem schnellen Rundblick konnte Lepkin nicht erkennen, von wo er beschossen worden war.
    Der Taxifahrer beugte sich aus dem Fenster.
    »Ist's vorbei?«
    »Ja –« sagte Lepkin ratlos. »Es scheint so.«
    »Habens dös öfter? I kenn an

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