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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sollen, Pietro.«
    »Die Geheimdienste, Mamma …« sagte Bossolo sehr blaß. »Ich weiß nicht, was sie von mir wollen, aber sie jagen mich!«
    »Det is doch jetzt klar, Junge. Die woll'n det wissen, wat wir jetzt wissen! Wat is'n det für'n Knabe, dieser Cortone?«
    »Ein Boß, Mamma.«
    »Is keen Bejriff für mir. Jefährlich?«
    »Ein Tiger ist ein Kätzchen dagegen, Mamma.«
    »Und du hast Angst, wat?«
    »Ja.«
    Emma Pischke setzte sich auf den Stuhl hinter der Theke. Hier thronte sie den ganzen Abend und die Nacht, wenn die Kneipe voller Gäste war und die Bestellbons zu ihr wanderten. Sie pikte sie auf einen langen, spitzen Spieß, gab Bier und Cola, Schnaps und Sprudelwasser aus, Gulaschsuppe (für die sie in Schwabing berühmt war) und kalte Koteletts, Frikadellen (mit wenig Brötchen drin, ebenfalls von allen Gästen gelobt) und Kartoffelsalat, Riesenbockwürste mit Currysenf und mittwochs und samstags abwechselnd Erbsensuppe, Nudelsuppe oder einen deftigen Bohneneintopf mit Hammelfleisch, an dem sich ihre Künstlergäste kugelig aßen. Für 2 Mark die Portion. Wo findet man das sonst noch? Dieser Stuhl war wirklich ihr Thron. Hier waren schon Entscheidungen gefallen, die manchen armen Kerl den Mut zum Leben wiedergegeben hatten.
    Auch jetzt fiel eine Entscheidung. Emma Pischke legte die mächtigen Arme um Bossolo und zog den Italiener zu sich heran wie einen weinenden Jungen, der hingefallen war und mütterlichen Trost sucht.
    »Pietro, ick sehe nich ein, warum du det Jeld sausen lassen sollst. Bist'n anständiger Kerl, nur fehljeleitet, wie de Psychologen heute sajen. Ick leite dir um aufn richtigen Weg. Ick fahr' nach Tutzing!«
    »Unmöglich, Mamma!« Bossolo starrte sie entsetzt an. Allein der Gedanke erzeugte in ihm solche Angst, daß ihm übel wurde.
    »Warum nich? Wer wird 'ner alten Frau wat tun? Und de Jeheimdienste kennen mir ooch nich. Ick hab' überall 'nen Freifahrschein. Wenn ick zu diesem Cortone komme und saje: Ick bin der Bote, den Se erwarten … dann will ick mal den sehen, der mir 'rauswirft! Junge, dem knalle ick eene!«
    »Mamma, das geht nicht!« rief Bossolo verzweifelt. »Du hast nie 'was mit einem Boß zu tun gehabt!«
    »Ick hab' keene Angst, det is meen Jeheimnis! Wat heeßt hier Boß? Hat er Unterhosen an?«
    »Ja …« stotterte Bossolo entgeistert. »Jeder hat Unterhosen an.«
    »Na also! Und uffn Lokus macht er de Knie krumm! Alle sind gleich. Junge, ick fahr' nach Tutzing und kassiere.«
    Bossolo gab es auf, gegen Emmas Plan zu reden. Es hatte doch keinen Sinn. Er stellte sich nur vor, wie Cortone reagieren würde, wenn Emma vor ihm stand, groß, wuchtig, mit Donnerstimme, Arme wie Baumstämme und Beine wie Türme, ein Felsen aus Knochen und Fleisch. Es war etwas, was Cortone noch nie begegnet war. Emma Pischke war einmalig. Vor allem eines würde Cortone maßlos verblüffen: ihre völlige Furchtlosigkeit. Er war es gewöhnt, daß alles vor ihm klein wurde, regenwurmartig, stumm ergeben.
    »Wann willst du fahren, Mamma?« fragte Bossolo bedrückt.
    »Wie abjemacht. Übermorjen. Und wennste det Jeld zusammen hast, hauste ab nach Kalabrien. Du wartest nich bis zum 28. Juli, vastanden? Wat ooch kommt – ick übernehme alles!«
    Sie stand von ihrem Thron auf, griff nach dem Spüllappen und drehte den Wasserhahn der Thekenspüle auf.
    Die morgendliche Arbeit ging weiter, als wäre nichts geschehen.

Stadelheim
    »Ich will Ihnen ein Geschenk machen, Bergmann. Da staunen Sie, was?«
    Beutels war schon am frühen Morgen in der Strafanstalt erschienen, hatte sich von Oberwachtmeister Sepp Mittwurz eine Litanei von Klagen anhören müssen und die Bitte, Trakt VI, 3. Stock von dem Häftling Hans Bergmann zu befreien. Der Kalfaktor Hannes Dulck aus Köln-Kalk, genannt ›Stinktier‹, lief mit einem vergrößerten blauen Auge herum und stieß wilde Racheschwüre aus, wenn man den Namen Bergmann in seiner Gegenwart nannte.
    Es war bei der Essensausgabe geschehen. Hannes Dulck hatte wieder, wie so oft, mit einem breiten Grinsen während des Ausschöpfens der Suppe einen drohnenden Furz losgelassen, und Bergmann hatte ebenso schnell und trocken seine Faust auf Dulcks Auge gesetzt. Das ›Stinktier‹ fiel mitsamt dem Suppenkessel um, kroch aus Bergmanns Reichweite und schrie um Hilfe. Oberwachtmeister Mittwurz war herbeigestürzt, hatte gebrüllt wie ein gereizter Stier, machte sofort Meldung beim Gefängnisdirektor, aber zu seinem größten Erstaunen erfolgte von dort keinerlei

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