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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zeichnungen an, die mit normaler Post nach New York flogen.
    Damals dachte noch niemand an das Einmauern von zwei Atombomben in die Fundamente des Olympiastadions. Am wenigsten Cortone selbst. Seine sieben Bauartisten hatten lediglich die Aufgabe, bestimmte Techniken zu studieren. Cortone wollte sie auswerten und später mit einer grandiosen Idee aufwarten: Stadionbauten im Fertigverfahren. Außerdem – und das sprach sich schnell bei den ausländischen Bauarbeitern in München herum, unter der vorgehaltenen Hand natürlich, nachdem Unbekannte zwei Kollegen mit Beton Übergossen hatten – außerdem kassierte Cortone von jedem Wochenlohn 10 Prozent für die ›Witwen- und Waisenkasse ehemaliger Facharbeiter‹. Wo diese schöne Kasse stand und wer sie leitete, vor allem aber, wem sie die Witwen- und Waisenrente auszahlte, fragte keiner. Die Italiener griffen nach dem ersten Rundschreiben schweigend und schnell in die Tasche … die meisten von ihnen kamen aus Süditalien, wo man diesen menschenfreundlichen Ton kennt und weiß, daß dahinter bei Nichtbefolgen ein dünner, flacher Sarg wartet. Die Umgangssprache der Mafia ist jedem gebräuchlich.
    Mit den anderen Völkerschaften war es schwieriger … sie hatten ein ausgeprägtes Eigentumsgefühl. Sie lebten in der irrigen Annahme, was man verdient, gehöre einem selbst. Was sie der deutschen Steuer abgeben mußten, war schon schmerzlich genug – wobei sich die Frage erhebt, was einem steuergesetzgebenden Staat wie Deutschland eigentlich von der Mafia unterscheidet –, aber daß jetzt eine völlig fremde ›Witwen- und Waisenkasse‹ zur Kasse bat, wollte nicht in ihre Hirne. Türken, Griechen, Jugoslawen, Spanier, Algerier, Libanesen, Filipinos, Portugiesen und Sarden reagierten zunächst sehr zugeknöpft, aber Maurizios Mannschaft arbeitete präzise.
    Drei Männern wurden die Gesichter mit Rasierklingen zerschnitten, eine Gruppe Türken lief nachts, beim Heimweg aus Münchens Innenstadt zu den Baubaracken, zwischen den riesigen Gerüsten in ein aufgespanntes Netz, das sich über ihnen schloß, dann wurden sie mit Knüppeln verprügelt, bis sich in dem Knäuel aus Leibern nichts mehr rührte.
    Von der folgenden Woche an zahlten sie alle ihre 10 Prozent. Ein Mann, der sich Rico Daleggio nannte, ging freitags abends mit einer einfachen Aktentasche herum und sammelte ein. Die Polizei rufen, wäre völlig sinnlos gewesen, das erkannten sie alle.
    Die Polizei ist dazu da, Geschehenes zu verfolgen. Vorzubeugen ist kaum ihre Aufgabe … sie wäre damit auch heillos überfordert. Was aber nützt die beste Polizei (und als solche gilt die deutsche), wenn man selbst zunächst das Opfer sein muß?
    Während dieser Aktionen erhielt Cortone einen Brief. Er war unterschrieben mit Dr. Hassler, München-Solln, postlagernd.
    Der Brief enthielt nichts weiter als den Vorschlag, die Olympischen Spiele ausfallen zu lassen.
    »… Ich habe Ihre ›Witwen- und Waisen‹-Aktion genau beobachtet«, schrieb dieser Dr. Hassler. »Wenn Sie so etwas von New York aus leiten können, wäre auch mein Vorschlag realisierbar. Ich lege Ihnen eine genaue Berechnung meiner Idee bei …«
    Cortone hatte zunächst getobt.
    »Einer hat die Schnauze aufgemacht!« brüllte er. »Wie kommt ein Deutscher an meine Adresse? Ich rufe sie alle zurück, ich wechsle sie aus!«
    Aber später beruhigte er sich, las den – in vollendetem Englisch geschriebenen – Brief noch einmal und sah die Berechnungen durch.
    Sie stellten nichts anderes dar als den exakten Plan, mittels einer Atomexplosion die Olympiade in München zu verhindern.
    »Der Mann ist verrückt«, sagte Cortone entgeistert. »Ein kompletter Irrer. Dem Himmel sei Dank, daß er kein Geld hat, diesen Wahnsinn zu realisieren.«
    Aber Cortone hatte Geld, und je weiter er darüber nachdachte – er las den Brief des Dr. Hassler im ganzen zwölfmal –, um so konkreter wurde vor seinen Augen die Tatsache, daß man mit dieser Idee mühelos, für Cortone mühelos, auf einen Schlag den größten Erpressergewinn aller Zeiten herausholen konnte. Was eine solche Drohung nach sich zog, war in Zahlen überhaupt nicht auszudrücken. Man konnte 10 Millionen, 50 Millionen, 100 Millionen Dollar fordern … die Katastrophe von München, wenn sie ausgelöst wurde, war mit dem Verstand nicht mehr zu erfassen.
    »Genial«, sagte Cortone nach vier Tagen ehrlichen Schwankens. Selbst er zuckte vor diesem Projekt zurück, bis es sich in ihn hineinbohrte wie ein giftiger

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