Die Drohung
Bolzen. »Das machen wir!«
Und Cortone baute in einem alten Fabrikkeller seine Atombomben.
Nur diesen Dr. Hassler bekam er nie zu Gesicht. Im November flog Cortone für eine Woche nach Europa, besuchte Paris und fand es fad, amüsierte sich auf der Reeperbahn in Hamburg, stand an der Berliner Mauer und schüttelte den Kopf, verstand nicht, warum man soviel Geschrei um diese häßliche Betonschlange machte, und wandte sich, in seinem Schönheitsgefühl beleidigt, angewidert ab, besuchte den Kölner Dom und fand das UNO-Gebäude wesentlich imposanter, stand am Rhein auf dem Drachenfels, fror im pfeifenden Wind und suchte vergeblich die Romantik … in München schließlich fand er das Bier ziemlich dünn, das Hofbräuhaus zu rauchig und zu stinkend von Männerschweiß. Das Olympiagelände war das einzige in Deutschland, was er neidlos als grandios bezeichnete.
Kassierer Rico Daleggio empfing seinen Chef mit einem Bankauszug. Die ›Witwen- und Waisenkasse‹ hatte einen Bestand von genau 3.687.219,18 DM. Cortone war zufrieden. Seine Goldmedaillen rollten schon, bevor noch der erste Fanfarenstoß ertönte.
Dr. Hassler … München-Solln … Cortone fuhr nach Solln, aber das Postamt gab keine Auskunft, über die Theke geschobene Geldscheine wurden als Beleidigung aufgefaßt, natürlich, ich bin ja in Deutschland, sagte sich Cortone, hier ist die Ehrlichkeit zu Hause. Es gelang ihm nicht, den verrückten Erfinder des mörderischen Plans aufzuspüren. Dr. Hassler aber rief ihn im Hotel an, eine sympathische Stimme, die fragte: »Sollen wir englisch oder italienisch sprechen?«
Cortone hustete, weil er sich am Rauch seiner Zigarre verschluckt hatte.
»Englisch.«
»Wie Sie wünschen. Wie weit sind Ihre Vorbereitungen?«
»Meine Jungs drehen die Dinger gerade. Die Chemiker basteln an den Zündungsmechanismen. Ich habe auch noch einen Radarfachmann eingestellt. Genau betrachtet, ist das ganz einfach. Ich habe nie gedacht, daß man eine A-Bombe in Heimarbeit basteln kann.« Cortone zog die Schultern hoch. Noch immer schreckte ihn das, was er da vorbereitete. Wer kann sich – ohne vom Staat dafür autorisiert zu sein – daran gewöhnen, eine Vernichtungswaffe für Hunderttausende zu besitzen? »Neulich stand bei uns ein Artikel im Magazin. Er beschrieb genau das, was wir jetzt tun. Aber kaum einer glaubte dem Schreiber das. Es ist übrigens Dr. Theodore Taylor.«
»Wer ist Taylor?«
»Einer unserer prominentesten Atomwissenschaftler. Ein heller Junge. Warnt die Welt vor Atombomben-Heimwerkern.« Cortone zog die Sprechmuschel näher an seinen Mund. »Eine Frage, Dr. Hassler: Warum haben Sie mir diesen wahnsinnigen Vorschlag gemacht?«
»Ich brauche Geld. Wie vereinbart: Eine Million Dollar genügt mir. Mit ihnen kann ich mein Leben in Ruhe zu Ende führen.«
»Das ist doch nicht der wahre Grund.«
»Doch.« Die Stimme wurde spröde. Cortone, der ein feines Gehör für Nuancen hatte, lächelte breit. Er lügt … er ist der Typ, der für irgend etwas Rache nimmt und dem es dabei gleichgültig ist, ob die halbe Menschheit in die Luft fliegt.
»Wann sehen wir uns, Dr. Hassler?«
»Nie.«
»Ich will Sie aber kennenlernen.«
»Ich habe kein Gesicht.«
»Welchen Doktor führen Sie?«
»Den Dr. med.«
Cortone war einen Moment sprachlos. Ein Arzt. Die Antwort war so schnell und sicher gekommen, daß es keine Lüge sein konnte.
»Wen hassen Sie so fürchterlich, Doktor?« fragte Cortone langsam.
Ohne zu antworten hatte Dr. Hassler aufgelegt.
Nun – im April – hatte die große Schlacht um die Millionen begonnen. Die Briefe hatte Dr. Hassler geschrieben … Cortone stand mit ihm über Funk in Verbindung, nachdem er auf ein Schweizer Nummernkonto genug Geld überwiesen hatte, damit sich Hassler eine Funkeinrichtung kaufen konnte. Sie war weniger pompös als die in New York, aber mit seiner Riesenantenne konnte Cortone mühelos die schwachen Signale auffangen, die aus München über den Ozean surrten. Ein Zahlencode, den ebenfalls Dr. Hassler ausgearbeitet hatte.
»Sie sind ein Rindvieh«, funkte Cortone nach München. »Mit einem Boot auf dem Chiemsee. Was soll der Blödsinn?«
Dr. Hassler funkte sofort zurück:
»Ich will den einen Mann opfern, um nachher um so deutlicher den Ernst der Lage zu demonstrieren.«
Und dann folgte eine Frage, die Cortone aus der Fassung brachte. Dr. Hassler, dessen Haß gegen irgend etwas, das keiner kannte, eine Atombombe wert war, äußerte plötzlich Zweifel an seinem
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