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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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noch meinen Protest ausdrücken gegen die ungesetzliche Festhaltung meiner Person?«
    »Da haben Sie recht.« Beutels holte eine lederne flache Zigarrenmappe aus seinem Rock, klappte sie auf und bot mir eine Sumatra an. Verflucht, er ist gut gelaunt, dachte ich. Sumatra bedeutet bei Beutels seelischen Frieden. Ich nahm an, biß die Spitze ab, und Beutels gab mir Feuer. »Sie haben allen Grund, sich aufzuregen«, fuhr er fort mit seiner erstaunlichen Rede. »Ihre Inhaftierung ist bombensicher ungesetzlich. Sie haben nichts getan, das weiß keiner besser als ich, Sie sind ein anständiger Mensch, nicht vorbestraft, Sie sind im Besitz einer entzückenden und klugen Schwester –« (woher kennt er denn Helga?) – »und ich wette, daß auf Sie eine große Karriere als Journalist wartet. Ein Mann mit Ideen hat nichts zu fürchten.«
    »Ihr Wort ins Ohr meines Chefredakteurs, und ich stifte eine ganze Messe für arme Poeten! Was soll's, Herr Rat? Ich will hier raus! Ich verspreche Ihnen sogar, diesen ungesetzlichen Zustand zu vergessen und darüber zu schweigen.«
    »Wie wir uns in der Mitte treffen, Bergmann.« Beutels paffte genußvoll. »Damit Sie nicht reden können, sind Sie Staatsgast. Ich muß Ihnen einen kleinen, aber gravierenden Unterschied erklären: Sie sind nicht eingesperrt, sondern befinden sich in Schutzhaft.«
    »Vor wem soll ich geschützt werden?!«
    »Vor sich selbst. Sie sind dabei, den wohl größten Artikel des Journalismus überhaupt zu schreiben, aber gleichzeitig werden Sie dadurch zu einer kaum mehr meßbaren Gefahr für die Allgemeinheit. Woher wissen Sie, daß im Olympiastadion zwei Atombomben liegen?«
    »Kein Kommentar.«
    »Sehen Sie – und darum sitzen Sie weiter! Bis zum 27. August!«
    »Bis dahin können Sie dreißigmal die Zelle erneuern lassen!«
    »Irrtum. Die Beamten werden mit Ohropax ausgerüstet. Sie bleiben in den Trümmern, die Sie schaffen, zwischen den beschissenen Wänden, wenn das Ihrer Weisheit letzter Schluß ist – alles was Sie von jetzt an mit Ihrer Zelle anstellen, wird Ihr Wohnkomfort bleiben. Für die Welt da oben –« Beutels zeigte zur Decke – »sind Sie verschollen. Am Starnberger See. Dort hat man Ihre zerfetzte Froschmannausrüstung gefunden. Ich habe sie vor einer Viertelstunde bei Ihrer Schwester als Beweis abgeliefert.«
    »Herr Rat, Sie sind ein Genie«, sagte ich ehrlich. Tatsächlich, ich bewundere diesen Mann. Wer weiß, was er Helga alles erzählt hat, eines ist sicher: Er hat sie beruhigt hinterlassen, nicht in Panik. Er ist ein väterlicher Satyr mit einem zweigeteilten Gehirn: halb das der Menschen, halb das der Götter. In drei Jahren, heißt es, wird er pensioniert. Dann geht mit ihm ein Monstrum in den Ruhestand, das unersetzlich ist. Größe stirbt aus, habe ich einmal geschrieben. Unsere Zeit lebt vom Mittelmaß. Mein Chefredakteur hat mich angebrüllt, ich solle nicht meine Memoiren schreiben, als er den Artikel las. Auch er versteht das nicht. Er hat die Stufe des Primitiven kaum überklettert. Größe aber, stille Größe wie die Beutels', wird man einmal museumsmäßig bewundern wie jetzt die Saurier. Wer kann heute noch denken? Einmal werden Computer uns durch Stromstöße daran erinnern: 11 Uhr – – – pinkeln gehen, 13 Uhr – – – essen, 14 Uhr – – – scheißen, 21 Uhr – – – vögeln … um nur das Wichtigste zu nennen. Der Mensch wird vorprogrammiert sein, sein Hirn eine leere Masse, die nur das Gleichgewicht des Kopfes festhält, zum Denken ist es bereits ungeeignet. Wirklich, ich bewundere Beutels. Ich möchte einmal sein Leben beschreiben, aber ich weiß jetzt schon, daß er nichts von sich erzählen wird.
    »Wenn ich Ihnen meinen Informanten nenne, bin ich dann entlassen?« fragte ich.
    Es war ein Versuchsballon … nie würde ich Gustav in die Pfanne hauen. Aber vielleicht wird man eines Tages auch zu solchen Gemeinheiten programmiert? Und jetzt zeigte sich die wahre Größe von Beutels. Er schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein«, sagte er hinter seiner Sumatra. »Sie bekämen nur einen Zellengenossen …«
    »Danke. Ihre Menschenfreundlichkeit ist rührend.« Ich schlug die Beine übereinander. Beutels hatte sichtlich die Absicht, sich mit mir länger zu unterhalten. Wann schlief der Mann eigentlich? Jede Nacht, wenn andere Beamten zu ihren Frauen kriechen und menschlich werden, war Beutels bisher im Keller erschienen, hatte mir ein paar Worte durch die Klappe der Zellentür zugerufen und gefragt: »Was

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