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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stammen, haben immer einen Wahrheitsgehalt. So heißt es sehr pessimistisch: Es trifft immer die Falschen.
    Bei Harvey Long war das der Fall: Er kam in die Schußlinie von Jack Platzer. Man muß das wörtlich nehmen. Harvey Long ging im Park der Villa seines Herrn Dulcan spazieren, als es aus einem Gebüsch – es waren Malven – ›plopp‹ machte und Long plötzlich die Sonne auseinanderspritzen sah. Bevor er sich wundern konnte und für dieses Naturschauspiel eine Erklärung fand, fiel er auf den Rücken und war tot. Jack Platzer steckte seine Schalldämpferpistole weg, rannte hinunter zum Ufer der Lower Bay und entfernte sich mit einem leise schnurrenden, elektrisch betriebenen Boot.
    Ted Dulcan verfiel nicht in den Fehler, sofort mit einem Feldzug gegen Maurizio Cortone zu antworten. Erstens konnte er ihm nichts nachweisen, obgleich diese präzise Schußleistung nur Platzer zuzutrauen war, und zweitens war es unmöglich, Cortone in seiner Burg, die er Sportschule nannte, zu stellen. Dulcan kannte das aus den guten alten Prohibitionstagen, wo jeder sich eine Burg schuf und darin unangreifbar blieb. Nur wenn man die schützenden Mauern verließ, wurde man zur Zielscheibe. So waren nacheinander alle großen Bosse gestorben, und auch Cortone, das schwor Dulcan, würde dem nicht entgehen.
    Er provozierte dieses Aufweichen des Schutzes auf die raffinierteste und sicherste Art: Er schickte Lucretia Borghi zurück.
    Natürlich ging sie nicht freiwillig. Sie ahnte noch nicht einmal etwas, als Dulcan ihr am Rand seines Schwimmbads – seinem Lieblingsplatz – einen Cocktail mixte, sie auf den Nacken küßte, ihre Brüste streichelte und zärtlich sagte: »Es ist undenkbar für mich geworden, daß du einmal nicht mehr bei mir sein könntest.«
    »Was für Gedanken, Liebling?« antwortete Lucretia. »Du bist ein fabelhafter Mann. Ich liebe dich. Die Zeit müßte stehenbleiben.«
    Wem sagst du das, dachte Dulcan. Mauri und ich sind jetzt 60 Jahre alt, eigentlich ein Grund, ruhiger zu werden. Aber was Cortone da in München angefangen hat, das reizt mich noch einmal, als wäre ich 30. Drehen wir also die Zeit zurück. Trink, Baby. Cheerio!
    Er sah ungerührt zu, wie Lucretia den Cocktail schlürfte … ein scharfes Gebräu mit Rum und Gin, das den etwas bitteren Geschmack der 20 farblosen Tropfen überdeckte, die Dulcan elegant dazwischengeschüttet hatte.
    Nach fünf Minuten schlief Lucretia ein. Sie schlief so fest, daß Dulcan, als er zur Kontrolle einen Schuß neben ihr ins Freie feuerte, zusammenzuckte, weil sie völlig regungslos liegen blieb. Bertie Housman, der seit Harvey Longs Unglück immer in der Nähe war, stürzte in die Schwimmhalle, eine Maschinenpistole unter dem Arm.
    »15 Tropfen hätten genügt«, sagte Dulcan. »Bertie, wenn sie nicht wieder aufwacht …«
    »Wer atmet, wacht auch wieder auf.«
    »Eine verdammt einfache Formel. Und wenn der Atem aussetzt?«
    »Bei 20 Tropfen wäre das unnormal.«
    »Lucretia ist eine zarte Person, Bertie.«
    »Sie ist zäher als wir zwei zusammen. Eine Katzennatur.« Housman beugte sich über Lucretia, schob ihr einen Finger zwischen die Zähne, preßte sie auseinander und legte sein Ohr an die vollen Lippen. Mit gerunzelter Stirn sah Dulcan zu. Daß ein Mensch wie Housman seinen Finger in ihren Mund stecken durfte, diesen herrlichen Mund, dessen Küsse die Hitze eines Sandsturms durch seine Adern jagte, bewies ihm, daß Lucretia aus seinem Leben gestrichen war. Er zwang sich, sich an diese neue Situation zu gewöhnen, wischte alle romantischen Erinnerungen fort und mixte sich an der fahrbaren Gartenbar ein großes Glas Cola mit Gin.
    »Wenn du Cortone begegnest, übersieh ihn, Bertie«, sagte Dulcan. »Man versenkt kein Goldschiff, wenn man es in den eigenen Hafen schleppen kann. Von der Mannschaft reden wir nicht.«
    Für Jack Platzer bedeuteten diese geistvollen Ausführungen ein Urteil. Er ahnte es, denn seit seiner Rückkehr von der Lower Bay hockte er wie ein Wachhund immer in der Nähe Cortones. Er ließ alle Eingänge der Sportschule mit vertrauenswürdigen Leuten aus der Sportschützenklasse besetzen, die schneller ziehen und abdrücken konnten, als Housman mit der Wimper zuckte.
    Die sportliche Ausbildung bei Cortone war in New York berühmt. Der Ruf seiner Schule war enorm. Die besten Lehrer, die besten Trainingsmittel, die härtesten Anforderungen. Cortone betreute in einem seiner Fitneß-Räume sogar eine private Vereinigung von New Yorker Polizeibeamten,

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