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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Neues?« Und ich hatte ebenso stur geantwortet: »Nein! Aber ich denke mir bestimmt etwas Neues aus!« Das Neueste war eben mein Intervall-Lärm. Beutels ist Witwer, aber noch nicht so alt und vor allem keineswegs so klapprig, daß er einer Frau nicht mehr in die Bluse blicken könnte. Aber er lebt nur für seinen Beruf, das sieht man jetzt, und auch das hebt ihn aus der Masse anderer heraus, die nur das Absitzen eines Monatsgehalts praktizieren. Verdammt, der Mann ist mir sympathisch.
    »Wollen wir ein geistiges Poker spielen?« fragte ich jetzt.
    Beutels schüttelte den Kopf. »Sie würden verlieren, Bergmann.«
    »Das ist mir klar. Aber es reizt mich, mit Ihnen zu kämpfen, Herr Rat. Es ist wie beim Boxen. Da tritt jemand gegen Cassius Clay an, obwohl er weiß, seine Chancen sind von Anfang an Null, es sei denn, Clay würde im Ring blind, lahm und taub, und doch boxt er mit ihm, um sagen zu können: ›Ja, ich habe mit Cassius im Ring gestanden!‹ Das ist eine Ehre, auch wenn er in der ersten Runde k.o. geht. Nicht anders bei mir! Sie werden mich durch k.o. besiegen, Herr Rat, aber ich habe gegen Sie gestanden! Das ist etwas! Fangen wir an?«
    »Von mir aus.« Beutels sog an seiner Sumatra. Weißblaue Wolken schwebten gegen die triste Lampe der Zelle. Sie war so hoch angebracht, daß man sie nicht zerschlagen konnte, um ihre Splitter zum Aufritzen der Pulsadern zu verwenden. Insassen von Einzelzellen kommen auf die tollsten Ideen. »Fangen Sie an. Sie sind der Herausforderer.«
    »Gong! Am 26. August gehen zwei Atombomben hoch. Es sterben 150.000 Menschen, fast alle Regierungschefs, die Spitzensportler aus 140 Ländern, Journalisten, Ärzte, Trainer, Künstler, Klofrauen, Parkplatzwächter, Neugierige, Polizisten, Fensterputzer, Gärtner, Papieraufsammler, Hostessen, Liebhaber, Taschendiebe, Huren und Minister. Was dann?«
    »K.o. Bergmann. Es explodieren keine Atombomben!«
    »Nur angezählt! Sagen Sie nicht, Sie hätten sie bis dahin gefunden und entschärft!«
    »Neuer K.o.! Wo gibt es Beweise, daß diese Bomben existieren?«
    »Und die Probeexplosion?«
    »Ach, das wissen Sie auch? Zellenwände sind anscheinend nicht dick genug! Der Parkplatzzauber war Dynamit. Kein Plutonium. Dynamit ist billig, fast beschämend billig für eine Organisation, die mit 12 Kilo Plutonium droht. Nehmen wir an, der Dynamitdonnerer ist ein neugieriger Eindringling wie Sie mit Ihrer Anzeige in der ›Süddeutschen Zeitung‹. Einer, der nur mitmischen will.«
    »Keine Runde für Sie! Wenn das zuträfe, gäbe es ja noch einen zweiten außerplanmäßigen Mitwisser der Top-Secret-Sache!«
    »Genau mein Wort, Bergmann. Sie sind kaltgestellt. Warum soll Ihr Informant jetzt nicht eine neue Lücke aufreißen?«
    Ich senkte den Kopf. Dieser Beutels. Mit einem väterlichen Lächeln säte er Zweifel zwischen mich und Gustav. Und dazu noch logische Zweifel.
    »K.o. für mich!« gab ich zu. »Ihr Argument klingt gut. Aber hoffen Sie nicht, daß ich mit diesem Stachel im Herzen jetzt plaudern werde. Sie haben mich niedergeschlagen, aber noch nicht besiegt.«
    Frohgelaunt, seine Sumatra im Mundwinkel, verließ Beutels meine Zelle. Der Oberwachtmeister schloß hinter ihm ab. Sein giftiger Blick auf mich hätte mich sofort töten müssen.
    Beutels – ich sagte es schon – ist ein Genie. Sein Geschoß saß wirklich. Seit unserem Gespräch beargwöhne ich Gustav. Natürlich, warum soll er nicht einen anderen eingespannt haben, wo ich jetzt im Loch sitze? Erst heute beschäftige ich mich mit dem Gedanken: Warum verrät er das alles überhaupt? Was hat er davon? Aus Freundschaft zu mir pfropft er mir nicht Geheimnisse in die Seele. Was für ein Mensch ist Gustav? Ein Sadist, ein Fanatiker, ein verkannter Schwuler, ein politischer Anarchist oder einfach nur ein Schwätzer?!
    Es war weit nach Mitternacht, als ich nach dem Oberwachtmeister klingelte. Er kam tatsächlich, verschlafen, böse, ein Wicht mit Goliathmanieren.
    »Ich wollte Ihnen nur etwas sagen«, berichtete ich ihm durch das Türkläppchen. »Ich werde meinen Plan, die Zellenwände zu bekoten, nicht ausführen.«
    Krach. Die Klappe flog zu. »Sie kriege ich noch klein!« hörte ich ihn draußen brüllen.
    Die Menschen sind undankbar. Selbst gute Nachrichten regen sie auf.
    Bis zum 26. August sind es noch 3 ½ Monate.
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich so lange in Zelle 14 hocke, ohne wirklich verrückt zu werden.

Midland Beach
    Alte Weisheiten, vor allem, wenn sie aus dem Volksmund

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