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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er immer herumlief und seine Umwelt zu innigstem Bedauern anregte.
    Das war am Vormittag gewesen, kurz nach der Berichterstattung bei General Norin. Zwei Stunden später, nachdem Abetjew alles Material, das man aus Deutschland herüberfunkte, geordnet und gesichtet hatte, drehte er an seinem Telefon und sagte ruhig:
    »Lepkin soll kommen.«
    Freunde, dieser Stepan Mironowitsch Lepkin lohnt es, ihn sich genauer anzusehen.
    Er war Ukrainer, Major im Generalstab, einer der Besten der Kriegsschule in Frunse, ein Genosse, dem einmal die Karriere als Heerführer offenstand, bis jemand – keiner weiß, wer – entdeckte, daß er im Geheimdienst Großes leisten könnte. Er wurde abkommandiert, durchlief die harte Schule der KGB-Akademien in Moskau, Winnitza und Irkutsk, bestand mit Glanz alle Prüfungen. Zuletzt wurde er mit dem Fallschirm mitten in der Taiga abgesetzt, ohne Waffen, nur mit einem Beil und einem Messer: nach zwei Monaten tauchte er wieder auf, gut genährt und fröhlich, als käme er aus der Sommerfrische, nur mit einem struppigen Bart und einer lederartigen Haut, die ihn zur Figur aus einem altrussischen Märchen machte … Kurzum, dieser Stepan Mironowitsch war ein Teufelskerl, viel zu schade, um einmal ein Korps zu kommandieren und irgendwo in einer Garnison zu Sauerteig zu werden.
    Abetjew nahm ihn in seine Abteilung, und das war ein gutes Werk.
    Lepkin lernte die ganze Welt kennen. Das ist nicht übertrieben, Genossen, nicht so dahingesagt! Wirklich die ganze Welt! Amerika, Australien, Südamerika, Europa, Afrika, was bleibt da noch übrig? Nord- und Südpol, ganz recht, aber wer die Lage genau kennt, weiß, daß von den Eskimos keine politischen Umstürze zu erwarten sind und von den Pinguinen auch nicht. Lepkin aber tauchte überall dort auf, wo politische Ideen Blasen trieben und aufplatzten. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe, mit einer Tarnkappe zu reisen, den Mann im Dunkeln zu spielen – o nein –, er trat in aller Größe auf, elegant, ein lebenslustiger Mensch, der die Frauen mit dem gleichen Erfolg attackierte wie seine politischen Gegner. Man sagte von ihm, daß er die besten Ideen immer beim Koitieren habe. Das war nicht nachprüfbar, aber sicherlich übertrieben. Belegbar war, daß Lepkin in bisher 128 Ländern Liebschaften hinterließ, wohlgemerkt: Liebschaften und keine Skandale, und daß er in allen diesen 128 Ländern bei seinen Freundinnen immer ein offenes Haus vorfand, wenn er es benötigte.
    Genossen, wer macht ihm das nach?! Selbst Abetjew, treuer Ehemann mit sechs Kindern, sah manchmal mit verstecktem Neid auf dieses elegante Brüderchen, das italienische Schuhe, englische Anzüge, deutsche Krawatten und chinesische Hemden trug. Lepkin hatte manikürte Hände, und auch die Fußnägel ließ er regelmäßig beschneiden … in Berlin, Rom oder Paris. Wo er auftrat, wehte aus seinen Anzügen der diskrete Duft eines herben Parfüms.
    »Wonach stinken Sie, Stepan Mironowitsch?« hatte Abetjew einmal gefragt. Und Lepkin hatte mit Würde geantwortet:
    »Es ist Roi des Beurs , Genosse.«
    König der Blumen … Abetjew hatte sein mageres Gesicht verzogen und war zu einem anderen Thema übergewechselt.
    »Kennen Sie München?« fragte Afanasij Alexandrowitsch, als Lepkin vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, dabei mit einem geradezu zierlich zu nennenden Griff die Bügelfalten seiner Hose zurechtzupfend. Abetjew bemerkte es genau und schnaufte durch die Nase.
    »Ich war dreimal dort, Genosse Oberst. Sie wissen es.«
    Natürlich wußte es Abetjew, aber es war seine Art, immer zu fragen, um mit der Antwort sein eigenes Gedächtnis bestätigt zu finden.
    »Genügt Ihre Ortskenntnis, um einen größeren Auftrag zu übernehmen?«
    »Ich besitze ein gutes Einfühlungsvermögen. Außerdem gibt es in Deutschland Stadtpläne, die peinlich genau sind.«
    »Lesen Sie diesen Bericht, Stepan Mironowitsch.«
    Abetjew schob die dünne Mappe über den Tisch. Lepkin vertiefte sich in Telegramme, Fernschreiben und den Bericht, den Abetjew daraus fabriziert hatte. Selbst beim Lesen ist er wie ein Windhund, dachte Abetjew, als Lepkin nach phantastisch kurzer Zeit die Mappe wieder auf den Tisch legte. Er hat zwei Augen, philosophierte Afanasij, und mit jedem Auge liest er eine Zeile, das sind zwei Zeilen auf einmal – nur so ist's möglich.
    »Was halten Sie davon, Genosse Major?« fragte er.
    »Eine Gegenfrage, wenn's erlaubt ist: Ist so etwas technisch möglich?«
    »Unsere Atomexperten

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