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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um 7 bis abends um 10 hockte Abetjew in seinem Zimmer der Sektion III, telefonierte, las dechiffrierte Telegramme und Funkmeldungen, gab neue Meldungen auf, organisierte und befahl, verschloß Geheimakten in Panzerschränke und klemmte sich jeden Tag um 11 Uhr vormittags eine rote Mappe unter den Arm und ging, seinem Vorgesetzten, dem General Pjotr Nikiforowitsch Norin, Bericht zu erstatten.
    Abetjew hatte einen äußerst verantwortungsreichen Posten: Er leitete eine Abteilung für Spezialaufgaben im KGB.
    Spezialaufgaben ist ein neutrales Wort. Wer kann sich etwas darunter vorstellen? Eine Spezialaufgabe kann es zum Beispiel sein, die Kanone Zar Puschka im Kremlhof immer blank geputzt zu halten oder dafür zu sorgen, daß die Uhr im Spaskiturm der Kremlmauer immer die richtige Zeit anzeigt. Hätte Abetjew eine solche Aufgabe gehabt, er wäre aus dem Gähnen nicht mehr herausgekommen und Teil einer ungeheuren Bürokratie geworden, die Rußland wie einen Riesenkürbis züchtet und pflegt. In Rußland Beamter zu sein, ist mit nichts vergleichbar. Selbst deutsche Beamte sehen mit Neid auf ihre sowjetischen Kollegen, die den Großteil des Tages damit verbringen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, wie man sich selbst beschäftigen kann.
    Abetjew organisierte Sabotageakte in Westeuropa. Genossen, das ist eine Aufgabe, die man kaum erfassen kann.
    Vor allem, um es gleich vorweg zu sagen, ist es nichts Ehrenrühriges. Jeder Staat, der etwas auf sich hält, beschäftigt Kolonnen von Agenten und Saboteuren. Das gehört zum guten Ton der friednachbarlichen Beziehungen, jeder weiß es vom anderen, ab und zu hebt man ein Nest dieser grauen Ehrenmänner aus, ohne große Töne, ganz kameradschaftlich, tauscht sie gegen die eigenen Leute aus und nimmt dann das Spielchen von neuem auf. Politik wäre fad wie abgestandenes Bier, wenn nicht ab und zu ein Spritzerchen Kohlensäure – eben eine gutorganisierte Spionage – Schaum in das Getränk bliese.
    Afanasij Alexandrowitsch war ein anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet. So lungenkrank er aussah, so glasklar dachte sein Gehirn, und General Norin sagte einmal im vertrauten Kreis: »Wenn wir die Aufgabe hätten, Nixons Unterhose zu stehlen – Afanasij Alexandrowitsch würde sie ihm unbemerkt vom Hintern ziehen.«
    »Es ist so«, sagte Abetjew an diesem Tag, an dem er das Fernschreiben der sowjetischen Botschaft aus Rolandseck am Rhein erhalten hatte, »daß der Fall verrückt ist! Aber was ist nicht verrückt auf der Welt, Genossen? Denken Sie sich: Im Fundament des Olympiastadion in München liegen zwei elektrisch fernzuzündende Atombomben. Zweimal 6 Kilogramm Plutonium. Hat man Verrückteres schon gehört? Die Deutschen glauben an den Blödsinn, die Franzosen, die Amerikaner, die Engländer, die Italiener und die Kanadier. Bisher sind diese Nationen unterrichtet worden. Höchste Geheimhaltungsstufe. Natürlich, wer zeigt gern seinen blanken Hintern? Es erhebt sich die Frage: Was tun wir, Genossen? Glauben wir auch diesen Witz, oder teilen wir mit, daß die Sowjetunion solche Drohungen als absurd ansieht?«
    Eine Frage, die niemand von denen, die Abetjew um sich versammelt hatte, beantwortete. Solche Fragen sind eigentlich sinnlos … wer wagt es, dazu eigene Gedanken zu äußern, die sich nachher doch immer als falsch erweisen, aber an einem klebenbleiben wie Wagenschmiere. Abetjew wartete deshalb auch nicht auf eine Äußerung seiner Mitarbeiter, sondern verkündete, was General Norin nach einer Blitzsitzung mit dem Innenminister beschlossen hatte.
    »Im gegenwärtigen Stadium kann die Bundesrepublik Deutschland nicht für die Sicherheit ihrer Olympiagäste garantieren. Die Drohung ist bekannt, es hat eine Probesprengung gegeben, es sind also Kräfte am Werk, um die Spiele zu sabotieren. Man verlangt 30 Millionen Dollar. Das wäre kein Problem, wenn alle Staaten zusammenlegen, aber das würde die Bomben auch nicht aus der Welt schaffen … wenn es sie wirklich gibt. Genossen, wir müssen tätig werden. Ich habe mich entschlossen, ein Komitee zu gründen, das sich nur mit der Sicherheit der Olympischen Spiele befaßt. Machen Sie sich schon Gedanken darüber … Sie hören noch von mir …«
    Man ersieht daraus, daß Afanasij Alexandrowitsch einen durchaus forschen Umgangston pflegte, und die Art, wie seine Männer aufsprangen und schnell das Zimmer 14 verließen, draußen aufatmeten und zu den Papyrossa griffen, war ein Beweis, daß Abetjew nicht die graue Maus war, als die

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