Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
täglich mit dem Verbrechen zu tun hat, lernt automatisch den Menschen achten, so paradox das klingt.
    »Warum hat dich Cortone nach München geschickt?« fragte Ric Holden kalt.
    »Ich kenne diesen dämlichen Cortone nicht!« heulte Bossolo.
    »Immer diese Gedächtnislücken.« Lepkin schüttelte den Kopf. »Brüderchen, geh wieder in die Zelle. Überleg es dir genau. Morgen früh setzen wir die Unterhaltung fort.« Und dann, zu Bossolos sprachloser Verwirrung, auf italienisch: »Bete zur Madonna … morgen früh brauchst du ihren Schutz!«
    Zitternd, den Kopf gesenkt, das Herz randvoll von Angst, wurde Bossolo in den Keller zurückgeführt. Er weinte die ganze Nacht … Hans Bergmann hörte es in seiner Zelle, klopfte an die Tür, rief nach dem Wachhabenden, aber keiner kümmerte sich um ihn.

Auf dem Korridor
    Es war ein reiner Zufall, daß Ric Holden und Helga Bergmann zusammentrafen und sich kennenlernten. Aber diese Zufälle, die Schicksal werden, haben von jeher das Leben der einzelnen und manchmal sogar die Welt verändert.
    Holden hatte den ganzen Vormittag im Zimmer 110 – dem kleinen Besprechungsraum von Kriminalrat Beutels – die Akten durchstudiert, die seit dem Eingang der ersten Drohung ständig, aber spärlich gewachsen waren. Er fand nichts Neues, viele unnütze Details, viel Leerlauf, verzweifeltes Suchen nach einem Anhaltspunkt. Beutels hatte ihm die Akten gegeben und gesagt: »Wenn Sie darin eine Spur finden, war ich 40 Jahre lang als Kriminalist ein Rindvieh.«
    Stepan Mironowitsch Lepkin hatte eine Ablichtung aller Schriftstücke mit ins Hotel Holiday Inn genommen. Für ihn wäre der Fall gelöst gewesen, wenn man ihn allein an Bossolo herangelassen hätte. Aber München war nicht die Ljubljanka in Moskau, das Gefängnis, in dessen Kellern bisher jeder gestanden oder sein Denken vollkommen aufgegeben hatte. Bossolo war nicht ein Mensch, der eine Gehirnwäsche sowjetischer Provenienz durchgestanden hätte; ihn hätte schon der Anblick des Vernehmungszimmers zum Sprechen ermuntert. Lepkin sah in der Humanisierung der Strafverfolgung einen groben Fehler: Wer Gesetze bricht, verliert auch selbst das Recht. Nach dieser Doktrin gab es in Rußland keine Probleme mit Verbrechern. Wenn auch manche gestanden, was sie gar nicht getan hatten, nur um dem Verhör zu entrinnen, so wogen diese Justizirrtümer doch nicht so schwer wie die Erfolge, die man durch unerbittliche Härte aufzeichnen konnte.
    Lepkin sagte zu Smelnowski, der ihn auf dem Zimmer im Holiday Inn besuchte: »Die Bomben kommen aus Amerika, Genosse. Das dürfte sicher sein. Ein Maurizio Cortone ist nicht ganz unbeteiligt. Man sollte unsere Leute in New York bitten, sich um diesen Sizilianer zu kümmern. Es muß doch zu schaffen sein, daß Menschen, die eine Stimme haben, auch sprechen. Übernehmen Sie das?«
    Smelnowski hatte genickt und war gegangen. Über Drähte, über deren Verbindungen nur ein kleiner Kreis Eingeweihter Bescheid wußte, lief in New York der Auftrag ein, sich um Cortone zu kümmern. Kümmern hieß in diesem Falle: Keine Rücksicht! Auch nicht in einem fremden Land. Die Interessen Sowjetrußlands sind unmittelbar bedroht.
    Die Gleichheit des Denkens von Lepkin und Holden wurde auch hier wieder offenbar. Auch Holden telegrafierte nach Washington zur Zentrale des CIA, daß es besser sei, Cortone sofort zu beschatten, bevor die Russen in Aktion treten konnten.
    So war alles in Fluß geraten – Beutels erklärte es dem Polizeipräsidenten so: »Jetzt ist es fast eine amerikanische Angelegenheit! Nur der Katastrophenplatz ist bei uns, aber das genügt!« – als Ric Holden aus seinem Zimmer kam und hinaus zum Olympiagelände fahren wollte. Auf dem Korridor prallte er mit einer jungen Dame zusammen, die es ebenso eilig wie er zu haben schien.
    »Welch ein Temperament!« sagte Holden und hielt Helga Bergmann fest, als sie nach einem Seitenschritt an ihm vorbeirennen wollte. »Halt! Bleiben Sie stehen! Sie haben mir den Brustkorb verbogen … mindestens.«
    Er setzte sein unwiderstehliches Lächeln auf, dieses Strahlen von Augen, Fältchen und Zähnen, dem eine Frau nur mit einem Seufzen widerstehen konnte, wenn sie überhaupt aus dieser Falle von Männlichkeit entfliehen wollte. Auch Helga Bergmann blieb stehen, aber Holdens Ausstrahlung traf sie nicht. Sie war an andere Männerschönheit gewöhnt! Was täglich vor ihrer Kamera posierte, stellte ein Maximum menschlicher Natur dar. Nur hatte sich herausgestellt: Je schöner der

Weitere Kostenlose Bücher