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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verdunkelungsgefahr. Wir werden dich hier festhalten, bis du dich erinnerst.«
    »Das ist gegen das Gesetz!« sagte Bossolo müde.
    »Wer kann vom Gesetz reden, der selbst gegen das Gesetz verstößt? Unser Fall erlaubt ein Vorgehen außerhalb aller Legalität! Also, Pietro, mein Lockenknabe, wie ist's?«
    Bossolo schwieg. Er faltete die Hände über dem Bauch als Beutels die Zelle verließ und begann zu beten.
    »Madonna mia, erhöre mein Flehen. Gib den anderen Vernunft, erlöse mich aus ihrer Ungerechtigkeit …«
    »Der hat einen Staatspreis verdient«, sagte Beutels später zu Fritz Abels. »So eine Intensität des Spiels findet man heute kaum noch auf einer Weltbühne.«
    Jetzt verschärfte sich die Situation noch mehr – Bossolo ahnte es. Was wollten die Russen hier? Seit einer Stunde stand er im Kampf gegen Ric Holden. Der Name Maurizio Cortone war gefallen, und Bossolo hatte behauptet, nie von ihm gehört zu haben. Schon gar nicht hatte er in einer Sportschule in New York gearbeitet. Er hatte in Boston Beton gemischt, dabei blieb er.
    Lepkin reichte Beutels die Hand. Schnell griff dieser zu, froh, nicht geküßt zu werden. So hervorragend, wie er englisch sprach, schaltete Lepkin jetzt auf Deutsch um. Fast akzentfrei, ein bißchen hart, aber so sprachen auch Tausende Schlesier oder Ostpreußen oder Balten.
    »Meine Regierung freut sich, Ihnen behilflich zu sein«, sagte Lepkin formvollendet. Er griff in die Rocktasche und holte einen Briefumschlag hervor. »Meine Legitimation, Herr Rat.«
    Beutels nahm den Brief und legte ihn ungeöffnet weg. Eine Geste des Vertrauens, die Lepkin sofort honorierte. Er sagte:
    »Die Kollegen haben sicherlich schon umfangreiches Ermittlungsmaterial gesammelt. Ich möchte darum bitten, es durchlesen zu dürfen. Aus der Ferne –« er lächelte geradezu charmant, »Moskau ist nun mal sehr abseits – aus der Ferne haben wir uns eine Theorie gebildet, die nur auf spärlichen Vorinformationen basiert! Wenn diese Drohung ernst ist –«
    »Sie ist es«, fiel Beutels ein.
    »– dann kommen als Lieferanten nur zwei Länder in Frage: China und die USA.«
    »Bravo. Aber es gibt auch noch eine dritte große Atommacht«, warf Holden ein. Lepkin nickte.
    »Mein Argument in Moskau. Aber uns fehlen keine 12 Kilogramm Plutonium. China können wir nicht fragen. Wie ist es bei Ihnen, Towarischtsch? Reden Sie, wir sind unter uns.«
    »Uns wurden vor einiger Zeit genau 12 Kilogramm gestohlen«, sagte Holden im Plauderton. »Ich habe es Mr. Beutels vorhin gestanden. Damit ist die Richtung klar.«
    Lepkin schien sehr zufrieden. Sein Blick fiel auf Bossolo, der in sich zusammenkroch wie ein Kaninchen vor einer Schlange. »Wer ist das?«
    »Pietro Bossolo. Sie werden von ihm in den Akten lesen, Lepkin. Kommt aus New York über Kalabrien nach München. Betoneisenflechter bei den Olympiabauten.«
    »Aus Boston komme ich!« protestierte Bossolo sofort. »Ich habe New York nie gesehen.«
    »Das kommt vor.« Lepkin kam einen Schritt auf ihn zu. Sein ebenmäßiges Gesicht mit den hervorstechenden Wangenknochen war maskenhaft. »Wir hatten einmal einen Mann, der stammte aus Kasan, erinnerte sich aber nur, aus Nowgorod zu kommen. Ein schwaches Gedächtnis, Brüderchen. Wir schickten ihn in ein Sanatorium – in ein Bergwerk zum Kap Deschnew. Die Heilung war erstaunlich. Er erinnerte sich an Dinge, die gar nicht geschehen waren. Als Therapie verordneten wir 12 Stunden Steinehacken im Stollen, einen Liter Kohlsuppe und eine Stunde Gymnastik im Freien bei 45 Grad Frost. Die Gesundung war verblüffend. Er kannte in Kasan jede Straße …«
    Bossolo sprang auf. Er war bleich geworden und zitterte am ganzen Körper. »Ich protestiere!« schrie er hell. Seine Hundeaugen flatterten vor Angst. »Wir sind hier nicht in Rußland! Das könnt ihr mit mir nicht machen! Ich berufe mich auf die Menschenrechte! Hilfe! Hilfe!«
    Seine Stimme überschlug sich. Beutels wandte sich ab. Ihm lag dieser Grad des Verhörs nicht. In Deutschland hat man eine andere Auffassung von der Behandlung auch schwerster Verbrecher. Zu human? Wer wagt das zu entscheiden? Auch die sogenannte Bestie in Menschengestalt bleibt immer ein Mensch. Er vernichtet die göttliche Schöpfung, ist aber doch ein Teil von ihr. Humanismus ist keine Gefühlsduselei, sondern die Achtung vor jeglicher Art Leben. Gehirnwäsche und seelische Zerstörung verletzten die Würde. Vielleicht bin ich ein altmodischer Spinner, dachte Beutels, aber wer 40 Jahre lang

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