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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Haufen.«

Zimmer 109
    Lepkin blieb an der Tür stehen und überspielte nicht seine Überraschung, Ric Holden schon in München zu sehen. Dann streckte er beide Arme aus und kam mit einem strahlenden Lächeln auf ihn zu.
    »Welch eine Freude, mein Freund! Lassen Sie sich umarmen.«
    Sie küßten sich nach russischer Art dreimal rechts und links auf die Wangen, und Beutels überlegte, ob auch er dieser Gunstbezeigung teilhaftig werden würde, was ihm schon im voraus nicht behagte. Lepkin war wirklich kein Sowjetrusse im Sinne des Klischees. Soweit gab er Holden recht. Aber die Küsserei unter Männern empfand er wiederum als typisch. Gespannt war er auf die Ansichten Lepkins. Was hielt er von der Drohung? Wie stellte er sich seinen Einsatz hier vor, wo 150 Spezialisten völlig im dunkeln tappten?
    Vier Wochen lang hatte man die Kleinarbeit praktiziert, die nach den Erfahrungen der Kriminalistik 90 Prozent des Erfolgs ausmacht. 5 Prozent bleiben dann übrig für Überraschungen und 5 Prozent fürs Glück. Die Kleinarbeit hatte nichts ergeben: Verhöre und Durchleuchtungen aller am Bau beschäftigten Arbeiter, Beobachtungen, ob sich auffälliges Benehmen zeigte … es war alles sinnlos, denn noch wurde in den Kellern gearbeitet, die letzten Schönheitsarbeiten, und was man durch Zusammentragen von winzigen Fakten zu erfahren hoffte, wurde hier bei der Größe des Objekts völlig ins Absurde geführt. Bei einem Mord hat man einen Täter und meist auch ein erkennbares Motiv … da kann man aufrollen. Selbst bei einer Entführung meldet sich der Entführer, muß also in engen Kontakt mit den Geldgebern kommen, muß in der Nähe bleiben … hier hatte er sich zwar auch gemeldet, brieflich, und er hatte sogar eine Spur hinterlassen, einen hinkenden Fuß, deutlich aus den Abdrücken im feuchten Erdreich erkennbar … aber das war so wenig und vor allem so abstrakt, daß Beutels ohne einer seiner sarkastischen Bemerkungen Fritz Abels aus Wiesbaden zustimmte, als der sagte: »Dieser Fall ist mit normalem Denkaufwand nicht lösbar.«
    Holden und Lepkin hatten sich begrüßt. Pietro Bossolo saß mit wachen Augen auf seinem Stuhl an der Wand, und man sah ihm an, daß er neue Schwierigkeiten ahnte, die sich vor ihm zusammenbrauten.
    Beutels hatte sein Versprechen wahr gemacht und ihn zunächst entlassen, in der Hoffnung, Bossolo würde die ihn bewachenden Beamten auf eine neue Spur führen. Einmal mußte er ja sein Geld für das Taucherabenteuer abholen. Das war zwar kein großer Erfolg, man erwartete, daß das Geld irgendwo niedergelegt worden war und Bossolo es nur abzuholen brauchte, aber die Höhe des Lohns allein konnte vielleicht zu Rückschlüssen führen. Von 10.000 Dollar hatte bis dahin noch keiner eine Ahnung. Hätte Beutels die Summe gewußt, wäre ihm klar gewesen, daß die Drohung – noch immer etwas scheel betrachtet und vielleicht doch als Scherz verdächtigt – das grauenhafteste Verbrechen der Menschheitsgeschichte ankündigte.
    Aber Bossolo blieb brav in seiner Baracke, arbeitete wieder als Eisenflechter, kassierte auch nicht mehr die Gelder für die ›Witwen- und Waisenkasse‹ – hier hatte die Leitung des Cortone-Teams schnell reagiert – und benahm sich völlig unauffällig.
    Das aber war für Beutels wiederum auffällig. »Ich koche ihn im eigenen Saft!« sagte er zu Abels. »Er ist Südländer. Wenn bei denen der Dampf im Topf zu hoch wird, knallt der Deckel weg! Das will ich abwarten. Bossolo hat eine gute Stimme … ich will ihn singen hören.«
    Man verhaftete Bossolo von der Baustelle weg, aus dem Gerüst heraus, wo er zwischen Himmel und Erde hing und einen Drahtkorb für einen Betonguß flocht. Auf dem ganzen Weg zur Zelle schrie und bettelte er, verlangte einen Anwalt, rief die Madonna an, seine Unschuld zu bekunden, warf sich auf den Boden und weinte – es war ein Schauspiel, das Beutels mit fast dramaturgischem Interesse vor sich ablaufen ließ, bis Bossolo deutliche Ermüdungserscheinungen zeigte. Er warf sich auf seine Zellenpritsche und sprach laut mit seinem Vater im fernen Kalabrien … ein tränenreicher Abgesang. Beutels mußte anerkennen, daß weniger harte Naturen als er vor dieser dramatischen Kunst kapituliert hätten.
    »Wo sollst du das Geld abholen?« fragte er. Bossolo blickte ihn aus feuchten Hundeaugen an. Aber er schwieg.
    »Wie hoch ist die Summe?«
    Bossolo schwieg.
    »Auch gut, mein lyrischer Tenor. Ich habe den Haftbefehl in der Tasche. Wegen Flucht- und

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