Die duale Metropole
unberechenbar. Bei diesem scheinbar leichthin geführten Gespräch ging es um Leben und Tod.
Und nicht allein um seinen Tod. Oder sein Leben. Wie so oft trug er zusätzlich die schwere Bürde, dass auf seinen Entscheidungen das Schicksal zahlloser Lebewesen ruhte. Ganz realer Personen wie Mondra und Inkadye, die nur wenige Schritte hinter ihnen gingen.
Aber so durfte er jetzt nicht denken. Das würde ihn nur behindern. Die Superintelligenz wollte etwas von ihm.
Sollte sie es bekommen.
»Massenmord begangen?«, fragte er ironisch. »Die Entwicklung zahlloser Zivilisationen vernichtet? Das Universum ungeahnter potenzieller Wunder beraubt?«
»Ach Terraner!« Der Dual lachte schallend. Es klang ehrlich amüsiert, als habe er einen guten Witz gehört. Das Insektengewimmel der anderen Körperhälfte schien sich hingegen zu steigern, als habe den Schwarm etwas in Unruhe versetzt. Das ständige Knistern der unaufhörlich aneinander reibenden Chitinpanzer wurde lauter.
»Ungeahnte potenzielle Wunder? Ich hätte dich für klüger gehalten. Vielleicht sollte ich mein Angebot noch einmal überdenken.« KOLTOROC lächelte, um den Worten die Schärfe zu nehmen. Es funktionierte nicht. »In jedem Augenblick werden in diesem und jedem anderen Universum zahllose Zivilisationen vernichtet und ungeahnte potenzielle Wunder im Keim erstickt, ohne dass auch nur ein Intelligenzwesen dafür eine Hand rührt.«
Einer der String-Legaten rückte vor. Auf seiner Spiegelfläche wurde eine Sonne abgebildet, die plötzlich zur Nova wurde und ihr ganzes System mit sich in den Untergang riss. Auf dem benachbarten Spiegel trat eine Raumstation in Erscheinung, von deren Hunderte von Kilometern durchmessender Basis zahllose funkelnde Gebäude und filigrane Türme in die Höhe stiegen; offensichtlich das Werk einer hoch entwickelten Zivilisation. Ehe das Auge die vielen erstaunlichen Details aufzunehmen vermochte, klaffte mitten im Leerraum plötzlich ein TryortanSchlund auf und riss die Konstruktion in Stücke.
»Sinnlose Vernichtung durch die Natur an sich«, meinte der Dual. »Verglichen damit sind die Aktivitäten TRAITORS kaum mehr als ein Nadelstich im Gefüge von Raum und Zeit.«
»Das ist eine alberne Rationalisierung, mit der sich alles rechtfertigen lässt«, erwiderte Rhodan. »Die Chaotarchen haben keinen Respekt vor dem Leben. Sie handeln nur nach der Devise, dass der Zweck die Mittel heiligt.«
»Ach ja, ich vergaß, die Kosmokraten sind da ganz anders. Sie würden nie jemanden opfern für ihre Zwecke, oder? Nicht zufällig alle Bewohner des Tiefenlandes, als TRIICLE-9 an seinen Standort zurückgeführt wurde?«
Rhodan machte sich nicht die Mühe zu antworten. KOLTOROC hatte ja recht.
Der Dual lächelte schmal. »In der Tat eine Handlungsweise, die von tiefem Respekt vor dem Leben zeugt. Und vor allem nach bedingungsloser Loyalität schreit.«
»Wir stehen den Kosmokraten schon lange nicht mehr mit blinder Loyalität gegenüber.«
Die Superintelligenz nahm einen letzten Bissen, dann hielt sie das Kerngehäuse an die Insektenbrusthälfte. In Sekundenbruchteilen verschwand es spurlos in dem Gewimmel. »Das sehe ich anders.«
»Dann siehst du es falsch«, entgegnete Rhodan. »Hätten wir das getan, hätten wir die Hände in den Schoß gelegt und abgewartet, dass die Kosmokraten uns retten. Und TRAITOR hätte gewonnen und uns alle vernichtet.«
»Wir hätten euch Unsterblichkeit in den Kabinetten VULTAPHERS verschafft. Und trotzdem sympathisiert ihr für die Seite der Kosmokraten. Versucht ständig, ihre Entscheidungen mit einem Fundament zu stützen, das nicht vorhanden ist, nicht vorhanden sein kann. Ihr versucht, die kosmischen Kräfte in das simple Schema von Gut und Böse zu pressen.«
»Ein bisschen differenzierter sehen wir das allerdings«, versicherte Rhodan.
KOLTOROC schmunzelte. »Dann besteht Hoffnung. Du hast natürlich recht. Die Zeit eures blinden Gehorsams ist sicher vorbei. Aber du denkst den Gedanken nicht zu Ende. Ihr könnt die Beweggründe der Kosmokraten nicht verstehen. Wie wollt ihr da die Beweggründe der Chaotarchen verstehen? Ihr könnt unsere Handlungen nicht beurteilen. Nicht auf befriedigende Weise.«
»Warum erklärst du sie mir dann nicht?«
»Typisch Terraner. Immer sofort zum Kern des Problems.« KOLTOROC seufzte. Es klang überraschend echt. »Ich will dir ein Geständnis machen. Das Chaos ist nicht perfekt. TRAITOR ist nicht perfekt. Wir machen Fehler.« Er sah Rhodan an, wartete
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