Die Duftnäherin
Zeit, nachdem Helme eingesperrt worden war, an den Gitterstäben aufgetaucht war und ihm wilde Flüche entgegengeschleudert hatte.
Wie Helme vermutet hatte, wollte Siegbert auf keinen Fall einen öffentlichen Prozess riskieren. Schroff wies er ihn an, sich bereitzuhalten, nach seiner Freilassung sofort die Stadt zu verlassen. Auf Hermann angesprochen, erwiderte Siegbert, sich auch um diesen kümmern zu wollen.
Die Erinnerungen an die darauffolgenden Stunden erfüllten Helme noch immer mit Wut. Durch die Heimlichenpforte hatte er Bremen verlassen müssen. Katharina hatte ihn dort bereits erwartet. Wie Drecksgesindel hatten sie sich davonschleichen müssen. Und das alles wegen einer Magd, die nicht mehr wert war als ein Korb voller Obst zur Erntezeit. Während Siegbert ihnen als Begleiter den damals noch jungen Pater Anselm zur Seite gestellt hatte, der sie in ihr neues Heim nach Lünen führen und dort die geistliche Führung der Gemeinde übernehmen sollte, bekam er ein paar Wochen später von Hermann die Nachricht, dass dieser in einem Kloster untergebracht worden war. Nie hätte Helme vermutet, dass der Freund es dort lange aushalten würde. Doch irgendetwas am Klosterleben schien ihm zu gefallen, denn in regelmäßigen Abständen hatte er ihm über Pater Anselm Mitteilung geschickt, sich noch immer dort aufzuhalten.
Das Quietschen des sich öffnenden Tores riss ihn aus seinen Gedanken.
»Bitte, tretet ein! Ihr werdet bereits erwartet. Darf ich Euer Pferd versorgen lassen?« Ein junger Novize, nicht älter als sechzehn Jahre, hielt die Tür zum Innenhof des Klosters weit geöffnet.
»Ich werde erwartet?« Helme trat in den Hof, übergab dem Jungen die Zügel und sah im gleichen Augenblick Hermann, der mit ausgebreiteten Armen auf ihn zueilte.
»Mein Freund! Du weißt gar nicht, wie lange ich dich hier schon erwarte!«
Sie umarmten sich herzlich.
»Wie viele Jahre ist es nun her? Und wie du aussiehst in deiner Kutte, Hermann.«
»Bruder Hermannus, wenn ich bitten darf. Folge mir. Wir haben uns viel zu erzählen.«
Helme fasste den Freund am Arm und hielt ihn zurück. »Und sie ist wirklich hier?«
»Sie war es. Aber es ist ihr gelungen, aus dem Keller zu entfliehen.«
»Verdammt!«
Bruder Hermannus grinste breit. »Keine Sorge. Ich weiß, wo sie steckt. Ein Vögelchen kam gerade erst gestern heimgeflogen und hat es mir berichtet. Ich habe nur auf dein Eintreffen gewartet. Wir werden uns gemeinsam auf den Weg machen und die Bastardbrut wieder einfangen.«
Helme blieb stehen. »Du weißt, wo sie ist?«
Der Kirchenmann grinste verächtlich. »Du wirst es kaum glauben. Sie ist dorthin geflohen, von wo wir vertrieben worden sind.«
»Sie ist in Bremen?« Helmes Gesicht rötete sich vor Wut.
Hermann nickte. »Wir werden uns jetzt erst einmal stärken und ein wenig über die alten Zeiten plaudern.« Er sah sich im Hof um und vergewisserte sich, dass niemand sie hören konnte. »Und dann werden wir in aller Ruhe besprechen, was wir mit ihr machen, wenn wir ihrer habhaft geworden sind.«
»Was du mit ihr machen kannst, wüsste ich schon.« Helmes Gesicht verriet, woran er dachte. Hermann grinste breit und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Der Gedanke gefällt mir. Wir sollten uns etwas Besonderes für sie einfallen lassen.«
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43 . Kapitel
D ie Stimmung in der Stadt war merklich umgeschlagen. Immer mehr Pestfälle wurden bekannt, und kaum noch ein Bürger traute sich auf die Straße, um seinen Geschäften oder sonstigen Erledigungen nachzugehen. Auf Geheiß des Rates bemühten sich die Leichensammler der Stadt, die Toten so unauffällig und rasch wie möglich fortzuschaffen. Es waren Gräber außerhalb der Stadtmauern ausgehoben worden, in denen die Toten, anstatt wie sonst üblich auf dem Kirchenfriedhof, zur letzten Ruhe gebettet wurden. Bisher waren vor allem ärmere Menschen vom Schwarzen Tod betroffen. Doch die Angst hatte mittlerweile von allen Bürgern Besitz ergriffen, ob arm oder reich, alt oder jung. Der Bischof selbst war in Jordans Werkstatt erschienen und hatte bei Gawin auf die Fertigstellung der Madonna gedrängt, die den Bürgern als Zeichen dafür dienen sollte, dass der Herr die Stadt nicht verlassen hatte. Der alte Jordan, der das Gespräch verfolgt hatte, ließ Gawin seither ausschließlich an der Statue arbeiten, während Hanno und er derweil all die Bänke, Tische und Schränke fertigten, die bei ihnen in Auftrag gegeben worden waren. Während Gawin langsam und
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