Die Duftnäherin
sind.« Sie warf ihrem Herrn einen unsicheren Blick zu, um festzustellen, ob sie sich mit ihren Worten nicht vielleicht zu viel herausgenommen hatte. Die Herzlichkeit in Cornelius’ Blick verriet ihr jedoch, dass ihre spontane Ansprache richtig gewesen war.
Wyland erhob sich von seinem Stuhl. »Das ist wirklich sehr nett von dir, Runhilde. Und richte auch den Mägden meinen Dank dafür aus.«
Sie errötete. »Eure Frieda war schon ganz grün im Gesicht vor lauter Sorge.« Sie wandte sich an Cornelius. »Erlaubt Ihr mir wohl, dass ich rasch zu ihr gehe, um ihr zu berichten, dass ihr Herr heimgekehrt ist?«
»Du und dein gutes Herz, Runhilde«, meinte Cornelius wohlwollend. »Geh nur zu ihr und sag ihr, dass sie alles vorbereiten soll. Ihr Herr schläft heute Abend endlich wieder in seinem eigenen Bett.«
Sie knickste und lief rasch hinaus.
Nachdem auch Albrecht eingetroffen war und den verloren Geglaubten aufs herzlichste willkommen geheißen hatte, berichteten ihm die beiden Freunde, was sich während seiner Abwesenheit in Köln zugetragen hatte, von der Randale und dem gesetzwidrigen Treiben der Bürger, von den ausbleibenden Schiffen und schlecht laufenden Geschäften sowie der sich nur langsam wieder normalisierenden Situation in der Stadt. Den Bürgermeistern Johann Overstolz von Efferen und Eberhard Hardevust fehlte es Albrechts Meinung nach an der nötigen Durchsetzungskraft, die Krise zu meistern. Beim älteren der beiden Männer, Overstolz von Efferen, lag dies ganz sicher an seiner schweren Erkrankung. In jedem Fall würde er schon bald seine einjährige Amtszeit hinter sich gebracht haben, was den Patriziern ersparte, ihn des Amtes zu entheben. Bei Eberhard Hardevust, der am Johannistag, also erst im Juni dieses Jahres gewählt worden war, war man sich noch unsicher, wie man verfahren sollte. Die nächsten Wochen, hieß es allenthalben, würden über ein mögliches vorzeitiges Ausscheiden des Bürgermeisters aus dem Amt entscheiden. Dies war zwar nicht mehr als ein Gerücht, doch Albrecht wollte es nicht unerwähnt lassen, um seinen Freund über die Lage und die Stimmung, die derzeit unter den reichen Kölner Familien herrschte, in Kenntnis zu setzen.
Die Nachricht von Egidius’ Tod nahm Wyland mit Gelassenheit entgegen. Nur um Cornelius’ willen tat es ihm leid, allerdings wurde ihm während dessen Bericht sehr schnell klar, dass auch dieser den Tod seines Bruders – allen Familienbanden zum Trotz – als keinen sehr großen Verlust empfand. Als die Unterredung jedoch auf dessen Mörder kam, legte Cornelius größeres Interesse an den Tag. Er berichtete, dass es ihnen bisher nicht gelungen sei, den Mann ausfindig zu machen. Die Vermutung lag nahe, dass dieser Köln verlassen haben und in seine Heimat zurückgekehrt sein musste. Die Mitteilung erinnerte Wyland an etwas, das unmittelbar mit dem Mörder zu tun hatte. Und dann ging alles ganz schnell, Situationen und Geschehnisse der letzten Wochen wuchsen zu einer Erkenntnis zusammen. Die Art und Weise, in der sich der Mann bewegt hatte, seine Größe, sein Gesicht!
»Ich habe ihn gesehen!«, rief er aufgeregt.
»Wen?«
»Helme von Minden! Verdammt, natürlich! Er war es!« Seine Stimme überschlug sich. »Es war in einer kleinen Stadt, etwa ein Tagesritt von hier entfernt. Lünen, ja, so hieß die Stadt. Dort stürmte er auf einem Pferd an mir vorbei.«
»Und da hast du ihn gesehen? Was hat er dort gemacht? Habt ihr miteinander gesprochen?«
Wylands Gesichtsausdruck versteinerte. »Miteinander gesprochen? Wenn ich den Kerl je wiedersehen sollte, werde ich ihn mit meinen eigenen Händen töten.«
Die Freunde blickten ihn nur fragend an.
»Er hat den Juden Benjamin in seinem eigenen Haus abgeschlachtet und wollte dessen Tochter Esther gerade dem gleichen Schicksal zuführen, als ich zum Glück dort aufgetaucht bin.«
»Während des Massakers gegen die Juden?« Albrecht hatte sich vorgebeugt und legte seine Hand beruhigend auf Wylands Arm.
»Ja. Als ich in Benjamins Haus kam, war er bereits tot. Ich konnte nur noch Esther retten.«
Dann berichtete er den Freunden seinerseits, was sich seit jenem Tag und jener Nacht zugetragen hatte: von der Rettung Esthers, ihrer gemeinsamen Fahrt nach Bremen und der Unterbringung der jungen Frau im Hause Siegberts von Goossen.
»Und wir haben uns schon gefragt, ob du vielleicht nicht selbst in dieser schrecklichen Mordnacht umgekommen und versehentlich in einem der Massengräber gelandet bist.«
Wyland
Weitere Kostenlose Bücher