Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
Vom Netzwerk:
pfiff ihnen kalt ins Gesicht.
    »Es geht um Anna«, begann Siegbert. »Jetzt, wo sie in mein Leben getreten ist, will ich nicht riskieren, sie wieder zu verlieren.«
    »Warum solltest du sie verlieren? Ich glaube nicht, dass sie wieder fortgehen will.«
    »Was weißt du über sie?«
    Gawin zuckte mit den Achseln. »Dass wir nicht wirklich Geschwister sind, muss ich dir ja nicht erzählen.«
    Siegbert lächelte nur.
    »Ansonsten kann ich dir nur sagen, dass für sie immer nur Bremen zählte und das Nähen. Also genau das, was ihr jetziges Leben ausmacht.«
    »Und du?«
    »Ich? Ich bin zufrieden.«
    »Ich habe da einige Geschichten über dich gehört.«
    »Über mich?«
    »Ganz recht. Und das könnte sich auch für Anna nachteilig auswirken.«
    Gawin blieb stehen und wartete auf eine Erklärung.
    »Du sollst mit dem Aufrührer Lautzer gemeinsame Sache machen.«
    »Das stimmt nicht! Ich bin kein Aufrührer und werde mich diesen Leuten auch nicht anschließen. Ich kenne zwar jemanden, der ihre Auffassungen teilt, doch das hat mit mir nichts zu tun.«
    »Du musst aufpassen, mit wem du dich abgibst, mein Junge. Diese Stadt hat ihre Ohren überall. Wenn du nicht achtgibst, hast du sehr schnell einen bestimmten Ruf weg. Und damit auch die Deinigen.«
    »Aber wer sagt denn so etwas über mich?«
    »Das ist unwichtig. Aber da mir die Geschichte als deinem vermeintlichen Großvater zugetragen wurde, besteht die Gefahr, dass sie noch weitere Kreise zieht.«
    »Und was kann ich dagegen tun?«
    »Halt dich fern von deinem Freund.« Es klang drohend.
    Gawin zögerte, was er darauf erwidern sollte. Der scharfe Ton, in dem Siegbert die letzten Worte ausgesprochen hatte, wie auch diese selbst waren als Warnung für ihn gedacht, das wusste er wohl.
    »In Ordnung«, gab er knapp zurück.
    Siegbert nickte zufrieden.
    »Dann geh jetzt zurück und arbeite weiter an deiner Madonna. Es ist nur gut, wenn die Stadt Trost im Glauben findet. Und wenn du am Abend deinen Raum in meinem Hause beziehst, sollten wir unsere kleine Unterhaltung vor Anna unerwähnt lassen.«
    »Und was ist mit Hanno? Auch er braucht eine Unterkunft.«
    »Er ist doch derjenige, der sich mit den Aufrührern abgibt, nicht wahr?«
    Gawin nickte.
    »Sprich mit ihm und mach ihm klar, dass das, worauf er sich da eingelassen hat, gefährlich ist. Wenn er auf dich hört, ist er mir willkommen und kann bleiben, solange es ihm beliebt.«
    »Und wenn er nicht auf mich hören will?«
    »Dann kann er an jedem anderen Ort bleiben, der ihm beliebt, nicht jedoch in meinem Haus.«
    »Ich verstehe.« Gawin verabschiedete sich von Siegbert und machte sich auf den Rückweg. In seinem Kopf hallten die Worte Siegberts nach. Vielleicht war er wirklich zu leichtfertig gewesen und hatte die Folgen, die Hannos Verhalten für alle Beteiligten haben könnte, zu wenig bedacht. Er überlegte kurz, seinen Freund nochmals in der Schänke aufzusuchen, besann sich dann jedoch auf seine Pflichten. Er war der Arbeit schon viel zu lange ferngeblieben, und Jordan würde ihn auch so schon zurechtweisen. Er rannte das letzte Stück des Weges und erreichte schließlich die Werkstatt. Als er eintrat, lauschte er kurz, es war so ungewöhnlich still und kein einziges Arbeitsgeräusch zu hören.
    »Jordan?«, hallte Gawins Stimme durch die Werkstatt. Keine Antwort. Ein ungutes Gefühl ergriff von ihm Besitz. Instinktiv griff er nach einem Hammer, der auf seinem Arbeitstisch lag, und ging mit diesem langsam, nachdem er sich vergewissert hatte, dass außer ihm niemand mehr im Raum war, zum Werkzimmer seines Meisters hinüber.
    Noch einmal rief er nach dem Alten, hob dann den Hammer und trat in den angrenzenden Raum.
    Sofort eilte er zu dem leblosen Körper am Boden der Werkstatt hinüber und bettete den Kopf des Meisters in seinen Schoß.
    »Jordan, um Himmels willen! Was ist mit dir?«
    Der Angesprochene gab keinen Laut von sich. Gawin lauschte, ob er noch atmete. Ganz nah brachte er seinen Kopf an dessen Gesicht und spürte so etwas wie einen schwachen Atemzug. Eilig griff Gawin ihm an die Brust. Das Herz seines Meisters schlug noch.
    »Jordan! Jordan, was ist geschehen?«
    Ein leises Stöhnen entfuhr der Kehle des alten Mannes. Erst jetzt bemerkte Gawin, dass die Hand, mit der er Jordans Kopf hielt, blutverschmiert war.
    »Halt aus, Jordan! Ich hole den Medicus! Ich bin sogleich wieder da!«
    Zitternd versuchte der Zimmermann, seine Hand zu heben. Seine Augenlider flatterten unter der Anstrengung, und ein weiteres

Weitere Kostenlose Bücher