Die Duftnäherin
Röcheln entfuhr seiner Kehle.
»Bleib!«
Gawin, der Jordans Kopf vorsichtig in seinem Schoß angehoben hatte, um aufstehen zu können, hielt mitten in der Bewegung inne.
»Aber ich muss Hilfe holen! Du bist verletzt, Jordan, schwer verletzt.«
Ein Lächeln huschte über die Lippen des Alten.
»Es ist schon bald geschafft, mein Sohn.«
Gawin war sich einen Augenblick nicht sicher, ob Jordan durch den Schlag auf den Kopf wirr daherredete und ihn deshalb als seinen Sohn bezeichnete. Dann begriff er, dass die liebevolle Anrede die Gefühle seines Meisters für ihn wiedergab. Er kämpfte gegen die Tränen an.
»Ich bin hier, Jordan. Ich werde nicht gehen.« Er griff nach der Hand des Sterbenden und streichelte sie sanft.
»Ein Leben lang habe ich mir einen Sohn wie dich gewünscht.« Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch, und Gawin musste sich mit dem Ohr direkt an seinen Mund beugen, um seine Worte verstehen zu können.
»Einen Sohn, der das Holz ebenso liebt wie ich. Und ich habe ihn gefunden, wenn auch spät.«
Er hustete, und ein kleines Rinnsal Blut lief ihm seitlich aus dem Mund. Gawin drehte Jordans Kopf etwas zur Seite, damit sich das Blut nicht in seinem Mund sammeln konnte und der Meister elendig daran ersticken musste.
»Alles, was ich habe, gebe ich an dich weiter. Ich habe es dir nie gesagt, doch jeden Abend, wenn die Arbeit getan war, ging ich zu deiner Madonna und bewunderte dein Werk. Du hast eine Gabe, mein Sohn. Gib sie nicht auf, auch wenn die Stimmen der Zweifler lauter sind als deine Zuversicht.«
»Bitte, Jordan, lass mich den Medicus holen, damit er dir helfen kann.«
Die Antwort war nur ein Röcheln.
»Bitte!«, flehte Gawin noch mal.
»Ich habe nicht mehr viel Zeit, Gawin. Der Herr greift nach meiner Hand. Es würde sich nicht gehören, ihn warten zu lassen.« Wieder lächelte er leicht.
Gawin konnte seine Tränen nicht länger zurückhalten.
»Sag mir, was geschehen ist. Bist du gefallen?« Er zögerte, den nächsten Gedanken auszusprechen, zwang sich aber dazu. »Wurdest du angegriffen, Jordan?«
»Sie waren zu dritt.« Wieder hustete er und spie diesmal einen ganzen Schwall Blut dabei aus. »Die paar Münzen, die sie mir abgenommen haben, werden kaum reichen, sich richtig volllaufen zu lassen.« Es klang bitter und verächtlich zugleich.
»Wer war es?« Der Verdacht, der in Gawin aufkam, war vermischt mit Wut, Verzweiflung und Ohnmacht.
»Hasse nicht, mein Sohn. Fertige deine Madonna und finde deinen Frieden.« Er nahm all seine Kraft zusammen und drückte die Hand des Jüngeren, so fest er es vermochte.
»War es Hanno?« Gawins Stimme klang rauh und brüchig.
Ein Lächeln legte sich auf das fahle Gesicht des alten Mannes.
»Ich warte auf dich in der Ewigkeit, mein Sohn.« Ein letztes Zucken lief durch seinen Körper, dann sank sein Kopf zur Seite.
»Nein!« Gawins Schrei durchschnitt den Raum. Er nahm den toten Leib in die Arme, drückte ihn an sich und legte seine Wange an die Jordans. So blieb er sitzen, unfähig, sich zu bewegen und von dem leblosen Körper zu trennen.
Anna wurde immer ungeduldiger. Schon seit Stunden wartete sie auf Gawins Eintreffen im Hause von Goossens, und auch Hanno hatte sich noch nicht blicken lassen.
»Ob ihm etwas geschehen ist?« Sie sah zu Esther hinüber, die mit den Schultern zuckte.
»Was soll ihm denn geschehen sein? Sagtest du nicht, dass er über der Arbeit an seiner Madonna oft alles um sich herum vergisst?«
Siegbert von Goossen erhob sich von seinem Stuhl. »Ich werde einen Boten zur Werkstatt schicken, der nach dem Rechten sieht.«
»Ich danke dir.« Anna warf ihm einen liebevollen Blick zu. Dass es jemanden in ihrem Leben gab, der ihr beistand und ganz selbstverständlich half, tat ihr unendlich gut.
Die Stimmung bei Tisch war angespannt. Lustlos stocherte Anna in ihrem Essen und lauschte auf jedes Geräusch, das aus dem Korridor zu ihnen hereindrang. Es kam ihr endlos lang vor, bis sie die Stimme des Boten hörte und schon im nächsten Moment Marquardt den Raum betrat, zu Siegbert eilte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
Der drehte sich zu Anna um und warf ihr einen Blick zu, den sie nicht zu deuten vermochte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
»Was ist geschehen?«
»Gawin ist unversehrt«, beeilte sich der Großvater ihr zu sagen.
»Aber?«
Esther verfolgte das Gespräch mit ängstlichen Blicken.
»Jordan ist tot.«
»Was?« Anna beugte sich über den Tisch. »Weshalb? Was ist geschehen?«
»Das
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