Die Duftnäherin
wird, gibt es das Essen für die Brüder. Erst wenn diese fertig sind, seid Ihr an der Reihe. Ich werde kommen und Euch holen. Ihr verlasst die Kammer nur, wenn es Euch erlaubt wird.«
Anna senkte den Kopf und bedeutete ihm, verstanden zu haben.
»Für Eure Notdurft steht ein Eimer unter der Pritsche. Solltet Ihr ihn benutzt haben, werde ich ihn mitnehmen und leeren, sobald ich wiederkomme.« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum und schloss die Tür.
Anna griff nach der Mönchskutte und hielt sie in die Höhe. Die Nähte waren alles andere als sauber gefertigt. Eine solche Arbeit hätten ihr die Leute in Lünen, für die sie etwas genäht hatte, zurückgegeben und die Bezahlung dafür verweigert. Umso besser für sie. Nicht nur, dass sie gewiss weniger als einen Tag für solch ein einfach gearbeitetes Gewand benötigen würde, müsste sie auch viel weniger Sorgfalt darauf verwenden und konnte somit mehr schaffen. Ohne zu zögern, machte sie sich an die Arbeit.
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6 . Kapitel
D ie Sonne stand hoch am Himmel, trotzdem fröstelte Margrite. Sie trieb die Gruppe an, um so schnell und weit wie möglich von dem Gasthaus und der schrecklich zugerichteten Cecilie fortzukommen. Erst bei Tageslicht war die ganze Grausamkeit und Ungeheuerlichkeit der Tat zutage getreten. Die Blutlache, in der der Leichnam lag, hatte ihren Ursprung im fürchterlich zugerichteten Unterleib der Toten. Offenbar hatte sich der Mörder nicht damit begnügt, Cecilie nur brutal zu schänden, sondern war danach auch noch mit einem Dolch in sie eingedrungen, mit dem er ihren Leib von innen heraus zerschnitten und einen Teil des Darms nach außen gestülpt hatte. Der Gedanke daran ließ die Übelkeit, die Margrite schon den ganzen Tag über begleitete, erneut in ihr aufsteigen. Es war nicht das erste Mal, dass sie eine Tote gesehen hatte. Doch die Art ihrer Entstellung und die Tatsache, dass Cecilie wenige Stunden zuvor noch das blühende Leben selbst gewesen war, führten ihr vor Augen, wie rasch ein Mensch, seine Seele, sein ganzes Sein, vernichtet und ausgelöscht werden konnte. Und dies, ohne dass irgendein Grund oder gar Sinn dahinterstanden. Margrite verstand noch, dass Schlachten zu schlagen waren, in denen Menschen fürchterlich zugerichtet wurden und Arme und Beine oder gar ihr Leben verloren. Sie wusste auch, dass so manch armer Sünder zur falschen Zeit am falschen Ort war, dass er Dinge vernahm, die nicht für seine Ohren bestimmt waren, und dass die Gefahr, so jemanden am Leben zu lassen, vielen Menschen einfach zu groß war, wollten sie ihr eigenes Fortkommen dadurch nicht behindern. Margrite konnte auch die Wut begreifen, mit der ein Dieb zu Tode geprügelt wurde, weil er das Essen einer Familie gestohlen hatte und diese nun hungern musste. All das konnte sie verstehen. Nur die bloße Grausamkeit an Mensch oder Tier, das Sich-Weiden an anderer Qual und Leid, war ihrem offenen und unverstellten Gemüt so zuwider und unbegreiflich, dass der Schock angesichts dessen, was sie über viele Jahre hinweg bereits gesehen und nun bei Cecilie wieder hatte erleben müssen, sich tief in ihre Seele brannte und sie wund zurückließ.
»Margrite! Du rennst ja schon fast. Nicht so schnell.« Anderlin hatte ihren Arm gepackt und hielt sie fest. Verstört sah sie ihn an. Sie hatte nicht gemerkt, wie rasch sie gegangen war, noch war ihr bewusst gewesen, dass sie mehrfach von ihren Begleitern angesprochen worden war, ohne ihnen geantwortet oder ihren Schritt verlangsamt zu haben. Erst Anderlins Griff holte sie in die Gegenwart zurück. Im ersten Moment wollte sie wie gewohnt bärbeißig reagieren, hielt sich dann aber zurück.
»Ich habe es nicht bemerkt«, brachte sie entschuldigend hervor.
Anderlin suchte ihren Blick. »Wollen wir Rast machen? Wir sind schon Stunden gegangen. Es würde uns allen guttun.«
Margrite nickte schweigend, und Anderlin ließ ihren Arm los. Wolfker spannte den Ochsen aus, legte einen Strick um den Hals des Tieres und führte es zum Grasen auf die Wiese. Binhildis kramte ihren Beutel mit Essen hervor und hielt ihn Margrite entgegen. »Ich habe noch Äpfel. Nimm dir einen.« Margrite sah sie überrascht an. Sie hatte sich den gesamten Weg über nicht besonders mit Binhildis verstanden. Außerdem wusste sie, dass diese sie mehrfach zu übervorteilen versucht hatte, indem sie hinter ihrem Rücken Geschäfte abschließen und Margrite damit um ihren Anteil bringen wollte. Doch auch ihr schien Cecilies Tod
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