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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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Advokat Amandus Scheller und ein Priester hatten Zutritt zu ihm. Wenn sie den Berichten ihres Großvaters Glauben schenken konnte, ging es dem Gefangenen leidlich gut. Einzig die schlechte Aussicht, je wieder in Freiheit gesetzt zu werden, ließ ihn verzweifeln. Dabei hatte ihm Siegbert noch nicht einmal gesagt, welch schreckliche Art der Todesstrafe ihn im Falle seiner Verurteilung erwartete. Aus anderen Städten hatte man erfahren, dass Bremen von der Pest reingewaschen werden könne, wenn diejenigen, die mit ihrer boshaften Seele die Menschen verdarben, bei lebendigem Leibe in einem Kessel gekocht würden. Der Geruch des gegarten Fleisches schrecke den Teufel mehr als alles andere, schwäche ihn gar in seiner Kraft. So hielt man es im Rat nunmehr für angebracht, nach dieser Verfahrensweise vorzugehen, um die vom Dämon befleckten Seelen zu vertreiben und damit wieder Ordnung und Wohlstand in die Stadt zurückzubringen.
    Siegbert wurde übel bei dem Gedanken, dass er, der alles für die Machterhaltung ebendieses Rates getan hatte, nun mit gebundenen Händen dastand und nicht das Geringste auszurichten vermochte, um dieses völlig sinnlose und grausame Unterfangen zu verhindern. Auch sein Gespräch mit dem Erzbischof, der seine Stellung ausschließlich ihm zu verdanken hatte, war ergebnislos verlaufen. Gottfried von Arnsberg dachte nicht daran, sich großartig in die Angelegenheit einzumischen. Siegberts Bestreben, einen gescheiten jungen Mann über viele Jahre hinweg zum Erzbischof aufzubauen, der dem Rat zugewandter sein sollte als dem Klerus, war gescheitert. Und nun saß er in seinem Bischofspalast, der mächtige Gottfried von Arnsberg, nannte sich selbst Erzbischof von Gottes Gnaden, wenngleich der Klerus ihn nur unter dem erheblichen Druck des Rates zum Erzbischof gemacht hatte, und rührte keinen Finger, um seinem Förderer beizustehen. Nie zuvor hatte Siegbert sich so nutzlos und alt gefühlt. Schon viele schwere Schicksalsschläge hatte er in seinem Leben erdulden müssen. Früh waren seine Eltern gestorben, noch jung hatte er die Geschäfte übernehmen müssen. Und sein Weib, obgleich weit jünger als er, hatte die gemeinsame Tochter nur wenige Jahre heranwachsen sehen. Viele Freunde hatte er verloren, manche waren gestorben, einige hatten ihn enttäuscht, wieder andere waren fortgegangen, ohne dass er wusste, ob er sie je wiedersehen würde. Doch noch nie hatte er eine so große Verzweiflung und Mutlosigkeit in sich gespürt wie in diesen letzten Tagen. Er sann darüber nach, ob er Anna sagen sollte, wer ihr leiblicher Vater war, fragte sich dann aber, was damit gewonnen wäre. Sie würde auf einen kaltherzigen Menschen treffen, für den sie nichts weiter als ein Stachel war, den er sich bereits vor langer Zeit aus dem Fleisch gezogen hatte. Womöglich würde er sie sogar als Bedrohung ansehen und ihr Schaden zufügen wollen. Von Goossen verwarf den Gedanken, mit Anna zu sprechen. Sie hatte schon genug Sorgen um das Schicksal ihres »Bruders«. Siegbert dachte mit Sorge daran, wie eng aneinandergedrängt die beiden im Lagerhaus auf ihn gewartet hatten. Er sah noch immer ihre ineinander verschlungenen Finger vor sich und wähnte, dass es ein Fehler gewesen war, die Lüge, Gawin wäre sein Enkel, aufrechterhalten zu haben.
    Doch womöglich würde dies übermorgen schon keine Rolle mehr spielen, wenn es ihm bis dahin nicht gelungen war, die Unschuld des jungen Mannes zu beweisen.
    Es klopfte an der Tür zum Goossen-Haus, und Siegbert hörte, wie Marquardt unten ein paar Worte mit jemandem wechselte. Er erhob sich, ging in den Korridor und ein Stück die Treppe hinunter. Doch sein Diener hatte das Gespräch schon beendet, schob den Riegel vor und drehte sich zu ihm um.
    »Es war ein Bote mit Nachricht für Eure Enkelin, Herr.«
    »Was für eine Nachricht?«, fragte Anna, die gerade aus dem Nähzimmer trat, in dem sie gemeinsam mit Esther die Morgenstunden verbracht, aber kaum etwas gearbeitet hatte.
    Sie sah Marquardt fragend an.
    »Eure Freundin, die Seifensiederin, lässt Euch ausrichten, dass eine gewisse Binhildis verstorben ist.«
    Anna nickte. »Danke.«
    »Der Bote sagte noch, es sei bereits vor drei Tagen geschehen, doch die Seifensiederin würde Euch erst jetzt verständigen, weil sie sicher sein wollte, dass sie und ein gewisser Ambertin …«
    »Anderlin«, korrigierte Anna.
    »Ebenjener«, räumte Marquardt ein, »sich nicht angesteckt hätten. Sie möchte sich mit Euch treffen, und zwar zur

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