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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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er sich sein, sie einzukreisen und ihr jeden Rückzugsweg versperren zu können. Er war wieder auf der Jagd, und jede Faser seines Körpers dankte es ihm mit dieser ganz speziellen Art von Befriedigung, die er viel zu selten erfuhr.
    Langsam schlenderte er zum Hause Siegberts zurück, den er nach so vielen Jahren nun zum ersten Mal wiedersah. Er war soeben aus der Tür auf die Gasse getreten und schlug den Weg Richtung Dom ein. Alt war er geworden, geradezu ein Greis, nur noch ein Schatten jenes bedeutenden Mannes, der ihn seinerzeit mit so entschiedener Geste aus der Stadt verwiesen und in die Verbannung geschickt hatte. Siegbert von Goossen war als Gegner kaum mehr ernst zu nehmen. Lange hatte er auf diesen Tag warten müssen. Der Alte bog um die nächste Hausecke und war aus seinem Blickfeld verschwunden.
    Kurz dachte er daran, schnell auf das Haus zuzugehen, an die Tür zu klopfen und diese mit Wucht aufzustoßen, sobald der Riegel von innen zurückgeschoben wurde. Doch wusste er nicht, wie viele Wachleute der Alte von Goossen insgesamt beschäftigte. Vier an der Zahl hatte er jedenfalls schon gezählt, die zu unterschiedlichen Zeiten das Anwesen betreten und wieder verlassen hatten. Aber das waren nur die, die regelmäßig den Vordereingang benutzten. Was auf der Rückseite des Hauses geschah, konnte er nur erahnen. So ließ er den Gedanken, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, wieder fallen und nahm lieber wieder den Beobachtungsposten ein, den er schon in den letzten Tagen bezogen hatte. Er würde den richtigen Moment abwarten und hatte auch schon eine sehr genaue Vorstellung davon, wann dieser gekommen sein könnte. In den Schänken erzählte man von einem großen Prozess, der in zwei Tagen auf dem Marktplatz abgehalten werden sollte. Es ging um irgendeinen Lehrburschen, der einige Meister niedergemacht haben sollte. Wie immer würden sich dann fast alle Einwohner der Stadt dort versammeln, um sich das Spektakel nicht entgehen zu lassen. Und diesen Umstand wollte Helme für sich nutzen. Entweder würde Anna dem Schauspiel beiwohnen, oder aber sie bliebe zu Hause. Siegbert von Goossen jedoch müsste wegen seiner Stellung im Rat der öffentlichen Verhandlung in jedem Fall beiwohnen. Und ein paar seiner Wachleute würden sich an diesem Tage ebenfalls dort einfinden müssen, wenn auch nur schwer abzusehen war, wie viele. Jedenfalls wären sie weder in voller Stärke im Goossenschen Haus noch auf dem Marktplatz. Und überdies vertraute Helme auf die jedem Menschen innewohnende Neugierde und setzte folglich darauf, dass Anna sich dem Schauspiel nicht entziehen würde. Fand er doch selbst ein gewisses Vergnügen an der Vorstellung, neben der Möglichkeit, Annas habhaft zu werden, auch noch einen Menschen sterben zu sehen.

    »Hast du ihr alles erzählt?« Anderlin nahm Margrite, die er sich gegenüber Dritten angewöhnt hatte, als sein Eheweib zu bezeichnen, zur Begrüßung in den Arm und ließ seine Hände auf ihren Hüften ruhen.
    »Ihr, und auch ihrem Großvater, dem Ratsherrn.«
    »Und? Wird er uns Gehör verschaffen?«
    »Ihm sind die Hände gebunden. Wir werden bis zur Verhandlung auf dem Marktplatz warten müssen. Doch er schien sehr erleichtert, die Geschichte aus meinem Munde zu erfahren. Womöglich hat er selbst schon an der Unschuld Gawins zu zweifeln begonnen oder war einfach niedergeschlagen, ihm trotz all seiner Macht nicht helfen zu können. Ich weiß es nicht.«
    »Gewiss wird alles gut, sobald wir auf dem Marktplatz sprechen können.«
    »Das hoffe ich.« Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. »Wir haben viel Schutz erfahren durch den Herrn. Dass wir uns bei Binhildis nicht angesteckt haben, ist allein schon ein Wunder.«
    »Ein Wunder?« Anderlin wiegte den Kopf hin und her. »Ich glaube, dass die Krankheit uns nichts konnte, hängt eher damit zusammen, dass du alles im Haus – uns eingeschlossen – ständig einer übermäßigen Reinigungsprozedur mit deinen verschiedenen Seifen unterzogen hast. Vielleicht sollten wir dies auch an den Medicus weitergeben, der sich um die vielen Pestkranken kümmert.«
    »Und du glaubst, man würde auf uns hören?«
    »Du hast recht. Wer sollte das schon tun?«
    Sie nickte bedauernd.

    Es war nur noch ein Tag bis zur Verhandlung, und Anna blickte dem kommenden Tage mit Schrecken entgegen. Ihre ursprüngliche Hoffnung, Gawin könne möglicherweise freigelassen werden, war gänzlich geschwunden. Selbst an ein Wunder glaubte sie nicht mehr. Seit Gawin festgesetzt

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