Die Duftnäherin
einfallen, wo das gewesen war. Helme zermarterte sich den Kopf seit dem Moment, in dem er die beiden Frauen beobachtet hatte, die Hand in Hand das Haus des Alten von Goossen betreten hatten.
Schon seit zwei Tagen klapperte er – entsprechend dem Bericht des Novizen – alle Patrizierhäuser Bremens ab, observierte sie und fragte das Gesinde, das in ihnen ein und aus ging, nach Anna, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Allein das Goossensche Gebäude hatte er dabei außen vor gelassen, denn den Gedanken, dass Anna und ihr Großvater sich kennengelernt hatten und sie bei ihm eingezogen sein könnte, hatte er für zu abwegig gehalten, um ihn ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Er hatte sich getäuscht und war nur dank eines Zufalls noch auf Annas Spur gestoßen. Einer der Marktständler hatte ihm auf seine Nachfrage hin von einer jungen Frau berichtet, auf die seine Schilderung zutraf. Er erzählte ihm außerdem, dass diese regelmäßig Tuchballen bei einem Händler am Nebenstand kaufte und dass sie weiterhin die Enkelin eines der bedeutendsten Ratsherren der Stadt sei und stets einen Lakaien dabeihätte, der mit den Händlern um die Waren feilschte, die das junge Fräulein aussuchte.
Fast konnte Helme es nicht glauben, dass von Goossen und Anna sich auf solch verschlungenen Umwegen wiedergefunden hatten. Denn dies verschlechterte seine Ausgangslage ungemein, würde er sich das Miststück nun wohl kaum mehr so einfach schnappen und von hier fortschaffen können.
Damit waren seine ursprünglichen Pläne zunichtegemacht, obwohl er deshalb noch lange nicht daran dachte, die Sache verloren zu geben.
Er musste nur umdenken. Wenn der Alte von Goossen das Mädchen nicht nur bei sich aufgenommen, sondern womöglich gar in sein Herz gelassen hatte, könnte sich dieser Umstand für ihn durchaus noch auszahlen. Hatte Siegbert Katharina und ihre Tochter früher auch nicht in seiner unmittelbaren Nähe haben wollen, würde er Letztere jetzt vielleicht doch schmerzlich vermissen, so sie ihm wieder entrissen werden würde. Dies könnte ihm eine unglaublich hohe Einmalzahlung verschaffen, mit der er bis ans Ende seiner Tage ein sorgloses Leben führen – und Anna dennoch grausam töten könnte. Ja, die veränderte Ausgangslage könnte sich in der Tat noch als wahrer Glücksfall erweisen.
So beobachtete er nun schon eine Weile das Kommen und Gehen im Hause Goossen. Seine Erregung war gewachsen, als er Anna wenig zuvor allein vor die Tür hatte treten sehen. Gerade hatte er sie sich holen wollen, da war eine knittrige Alte, womöglich die Haushälterin, zu ihr hinausgekommen und gemeinsam mit ihr ein Stück des Weges gegangen. Zwar war die Alte danach zum Markt abgebogen, aber da hatte Anna auch schon die Beine in die Hand genommen und war auf die Frau zugelaufen, mit der sie nun gemeinsam wieder ins Goossen-Haus zurückgekehrt war.
Außerdem war Bruder Hermannus nicht bei ihm. Der nutzte die Zeit, um seine offenbar nicht weniger werdenden Münzen im Hurenhaus zu lassen, stand ihm doch die Rückkehr ins Kloster in absehbarer Zeit vor Augen. Helme kratzte sich bei dem Gedanken zwischen den Beinen. Auch er hatte seit jener Nacht in Köln, als er in die Augen der kleinen Jüdin gesehen hatte, während er ihrem Vater genüsslich die Kehle durchtrennte, keine Erleichterung mehr gefunden. Schon der Gedanke daran erregte ihn, und so zog er sich noch tiefer in den schmalen Gang zwischen zwei Häusern zurück, um für einen Moment die Augen zu schließen und sich ganz seiner Erinnerung hingeben zu können.
Nicht lange nachdem die stämmige Frau zusammen mit Anna das Haus betreten hatte, kam sie auch schon wieder heraus und ging rasch davon. Helme beschloss ihr zu folgen. Er müsste ohnehin auf Hermann warten und mit ihm gemeinsam eine Gelegenheit abpassen, bei der sich Anna weit genug und möglichst allein von dem Goossen-Haus entfernte, um sie dann, ohne die Aufmerksamkeit anderer zu erregen, mit sich nehmen zu können. Würde sein Plan durch ein allzu forsches Vorgehen vereitelt oder der alte Siegbert Wind von ihm bekommen, wäre alles dahin – und das wollte er unter keinen Umständen riskieren. Und so ging er Margrite nach, bis diese bei sich angekommen und im Haus verschwunden war. Nun hieß es, so viele Nachforschungen wie möglich anzustellen, um in Erfahrung zu bringen, mit wem Anna verkehrte, wohin sie wann ging und was für Angewohnheiten sie sonst noch hatte. Je mehr er über sie in Erfahrung brächte, desto sicherer konnte
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