Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
Vom Netzwerk:
war, schlief sie kaum noch und konnte so gut wie keinen Bissen mehr zu sich nehmen. Esther stand ihr bei, so gut es ging, vermochte jedoch nur wenig gegen die lähmende Angst auszurichten, die Anna mehr und mehr ihre innere Kraft raubte.
    Im Eingangsbereich erhoben sich Stimmen.
    »Mein Herr ist nicht da, und er hat mir auch nicht gesagt, dass er Besuch erwartet!« Der zweite Wachposten hatte sich breit neben dem ersten vor der Tür aufgebaut.
    »Ich muss Euch daher bitten später wiederzukommen.«
    »Wo können wir den Ratsherrn finden?«
    »Das darf ich Euch nicht sagen.«
    »Und die junge Frau Esther, ist sie da?«
    Anna gefror das Blut in den Adern. Womöglich war das der Mann, der Esthers Vater ermordet hatte und nun versuchte, sich durch eine List Zugang zum Haus zu verschaffen. Sie erhob sich auf die Zehenspitzen, um über die Wachen hinweg einen Blick auf die Gesichter der Männer zu erhaschen, die Einlass begehrten. Doch sie konnte lediglich erkennen, dass es zwei waren.
    »Auch darüber werde ich Euch keine Auskunft erteilen.«
    »Hört mir zu, guter Mann. Ich selbst gab Esther in die Obhut Eures Herrn. Er sandte mir eine Nachricht, dass sie sich in Gefahr befände.«
    »Niemand hier im Hause befindet sich in Gefahr.«
    Vorsichtig schlich Anna im Rücken der Wachen die Stufen hinauf und öffnete dort leise die Tür zum Zimmer der Jüdin. Diese kniete gerade, einen zarten Schal über Kopf und Schultern gelegt, vor ihrem Bett und sprach ein Gebet.
    »Bitte entschuldige, wenn ich dich störe«, flüsterte Anna, »aber unten sind zwei Männer, von denen einer behauptet, eine Nachricht von Siegbert erhalten zu haben. Die Wachen verwehren ihnen den Zutritt. Kannst du vielleicht vorsichtig von oben nachsehen, ob einer der beiden der Patrizier ist, der dich gerettet hat und dein Vertrauen besitzt?«
    »Wyland!«, entfuhr es Esther.
    »Scht! Wenn er es nicht sein sollte, läufst du Gefahr, dass er sich gewaltsam Zutritt verschafft, sollte er deiner ansichtig werden.«
    Esther bedeutete der Freundin verstanden zu haben und schlich dann, so leise sie konnte, hinter dieser auf den Korridor hinaus. Am Treppengeländer blieben sie stehen, und Esther lauschte. Zwar konnte sie nicht jedes Wort verstehen, aber darüber, wem die Stimme, die zu ihr nach oben drang, gehörte, bestand für sie kein Zweifel.
    »Wyland!« Sie hob die Röcke und hastete die Stufen hinab.
    Die Wachen drehten sich nach ihr um und traten beiseite, als sie bei ihnen angekommen war.
    »Dem Herrn sei Dank!« Wyland umarmte Esther so heftig, dass der jungen Frau einen Augenblick lang die Luft wegblieb.
    Siegberts Leute gaben nun vollständig die Tür frei und ließen Wyland und Cornelius eintreten.

    Helme glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Was zur Hölle machten die Kölner Geldsäcke unter Siegberts Tür? Und spielten ihm seine Augen einen Streich, oder war das junge Mädchen, das den Patrizier Wyland soeben leidenschaftlich umarmt hatte, nicht die kleine Schlampe, die ihm während der »Judenschlacht« entkommen war?
    Als die Tür des Goossenschen Hauses von innen verschlossen wurde, kam er aus seinem Versteck hervor und machte sich davon. Die Ankunft der Kölner veränderte alles, schon zum zweiten Mal würde er seinen Plan ändern und noch einmal gründlich nachdenken müssen. Vor allem, weil es vielleicht sogar geschickter sein könnte, gleich beide junge Frauen zu verschleppen. Bruder Hermannus hätte bestimmt nichts dagegen, würde bei zwei Frauen anstatt einer doch der ein oder andere Leckerbissen mehr für ihn abfallen. Ein hämisches Lächeln huschte über sein Gesicht. Das Glück schien ihm insofern gewogen, als es ihm nun auch noch die Jüdin in die Arme trieb. Selbst wenn das bedeutete, dass er sich jetzt nicht nur um Siegberts Wachleute, sondern auch noch um die zwei Kölner kümmern musste. Aber für die würde ihm sicher noch etwas Besonderes einfallen.

[home]
    47 . Kapitel
    D er Menschenauflauf war gewaltig. Siegbert hatte mit weniger Leuten gerechnet, hatte die Angst vor der Pest sie doch in den letzten Wochen daran gehindert, auf die Straße zu gehen. Nichtsdestotrotz wollte sich dieses Spektakel anscheinend kein Bremer Bürger entgehen lassen, und so blickte man aus den Fenstern des Rathaussaales über ein Meer von Köpfen, das sich vom Marktplatz bis hinüber zum Dom erstreckte.
    Direkt neben dem Podest, auf dem die Verhandlung stattfinden sollte, war ein gesonderter Holzsockel errichtet worden, auf dem der größte Kessel

Weitere Kostenlose Bücher