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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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stand, den er jemals gesehen hatte. Seitlich des Gefäßes waren Eisenstangen angebracht und im Boden verkeilt worden, die sein Gewicht hielten, während direkt unter ihm Holzscheite und Stroh als Nahrung für das Feuer aufgeschichtet waren, mit dem das bereits dampfende Wasser erneut zum Kochen gebracht werden würde.
    Helfer schleppten in Bottichen reihum Wasser herbei, das sie in den Kessel füllten, welchen sie danach immer wieder sorgsam mit einer Holzplatte abdeckten, damit die Hitze nicht entweichen konnte. Es hatte bereits ein Unglück gegeben, als ein unaufmerksamer Bediensteter beim Befüllen des Kessels abgerutscht war und sich ein Teil des kochend heißen Wassers über seinen Leib ergossen hatte. Seine Schmerzensschreie waren im Johlen der Menschen untergegangen, die teils erschrocken kreischten, teils jubelten.
    Siegbert wandte sich angewidert ab. Der Menschen Seele war in seinen Augen das Grausamste, was diese Welt je hervorgebracht hatte. Das Ganze hier war ihm unerträglich. Und er wusste auch nicht, ob er richtig gehandelt hatte, indem er ausschließlich Bürgermeister Heinrich Doneldey von Margrite und Anderlin berichtet hatte, die sich während der laufenden Verhandlung zu Wort melden würden, um auszusagen, was Hanno ihnen gestanden hatte.
    Margrite war in der Stadt bekannt. Sie besaß die Bürgerrechte, und ihre Stimme besaß Gewicht, wenn auch kein übermäßig großes. Über Anderlin hingegen wusste er so gut wie nichts. Und so käme es vor allem auf die Glaubwürdigkeit der beiden und auf die Sympathie an, die das Volk ihnen entgegenbringen würde. Die Menschen wollten am heutigen Tage jemanden kochen sehen, wobei nicht nur die Art der Hinrichtung neu und reizvoll für die Bremer war. Auch der Gedanke, dass mit diesem Kochen der Teufel und seine Pestboten aus der Stadt vertrieben werden würden, ließ sie in Hochstimmung geraten.
    Blieb nur zu hoffen, dass Gawin am Ende nun doch nicht in dem übergroßen Topf landete, der schon gut mit Wasser gefüllt war. Einerseits sollte das Feuer darunter nicht zu früh entzündet werden. Schließlich wusste man nie, wie lange sich eine Verhandlung noch hinzog. Andererseits wollte man auch nicht riskieren, dass das Wasser nicht rechtzeitig zum Sieden gebracht wurde und die Zuschauer deshalb lange warten mussten, bis der Verurteilte endlich zu schreien begann.
    »Bist du so weit?« Heinrich Doneldey war unbemerkt an Siegbert herangetreten und legte ihm freundschaftlich die Hand auf den Rücken.
    »Kann man bei so etwas überhaupt so weit sein?«
    »Es wird schon, mein Freund. Vertrau auf den Herrn.«
    »Ich kann nur hoffen, dass dieser sich nicht gerade mit Grauen von diesem Spektakel abwendet.«
    Gemeinsam verließen sie, begleitet von den Stadtbütteln, das Rathaus und bahnten sich ihren Weg durch die Menge zum Marktplatz, wo sie als die letzten von allen Ratsmitgliedern ihren Platz auf dem Podest einnahmen.
    Auf der anderen Seite des Podestes setzte sich in diesem Augenblick Advokatus Amandus Scheller auf den für ihn vorgesehenen Stuhl.
    Anna reckte den Hals. Gawin war noch nicht hier. Sie schauderte bei dem Gedanken, dass er wahrscheinlich in einem Gefangenenwagen auf den Marktplatz herangeschafft werden würde, damit die Leute genug Zeit hätten, ihn auf dem Weg hierher zu bespucken und zu verhöhnen. Sie war deshalb erstaunt, als er, zwar mit auf den Rücken gefesselten Händen, lediglich mit einer Wache an seiner Seite, wie aus dem Nichts auf dem Podest auftauchte und zur Rechten des Advokatus auf einen zweiten Stuhl gedrückt wurde.
    Sein Blick schweifte über die Menge. Sie versuchte, sich weiter nach vorne zu schieben, damit er sah, dass sie hier war, um ihm in dieser schweren Stunde beizustehen. Doch die Menge stand schon jetzt so dicht, dass sie Mühe hatte, ihren Fuß auch nur einen einzigen winzigen Schritt nach vorne zu setzen.
    Bürgermeister Doneldey erhob sich und richtete sich in voller Größe vor den Leuten auf. »Ihr lieben Bremer! Wir sind heute hier, um ein Verbrechen, welches an Abscheulichkeit seinesgleichen sucht, aufzuklären und den oder die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen.«
    Seine Wortwahl, die zu verstehen gab, dass es auch mehrere Angeklagte geben könne, war dem Volk durchaus nicht entgangen. Ein Raunen und Flüstern ging darauf durch die Menge.
    »Lasst euch gesagt sein, dass wir Bremer es nicht zulassen, wenn unschuldige Menschen so grausam aus unserer Mitte gerissen werden!«
    Jubel brach aus. Der

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