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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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vorzuführen.«
    Der Bürgermeister gab einem der Büttel ein Zeichen. Nur widerwillig erhob sich Hanno von dem Stuhl, der neben dem der anderen Zeugen direkt vor dem Podest aufgereiht war. Schwerfällig stieg er die Stufen hinauf und blieb an der Stelle stehen, an die ihn der Büttel geführt hatte.
    »Da bist du … oh, verzeiht, ich meinte natürlich, da seid Ihr«, er betonte das letzte Worte über Gebühr, »ja wieder. Auch wenn ich nun weiß, dass Ihr Euch früher als Krüppel ausgegeben habt und davon lebtet, ehrbare Bürgerinnen zu bestehlen, möchte ich es in diesem Prozess keineswegs an angemessenem Respekt fehlen lassen.«
    Die Menschen lachten auf und fühlten sich offenbar durch die Art und Weise, in der der Advokat Hanno vorzuführen verstand, gut unterhalten.
    »Oder war das etwa gelogen?«
    »Ehm, was?« Hanno legte seine Stirn in Falten.
    »Der Bericht der Bürgerin Schonau, wonach Ihr Euch als Krüppel ausgabt, um besser stehlen zu können?«
    »Nein«, flüsterte Hanno und sah betreten zu Boden.
    »Wie bitte? Ich kann Euch kaum verstehen.«
    »Nein«, wiederholte Hanno laut. »Es war nicht gelogen.«
    »Das hatte ich auch nicht angenommen«, stellte Scheller selbstgefällig fest. Der Advokat verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und schritt dann auf dem Podest auf und ab, als müsse er alles noch einmal genau durchdenken.
    Unruhe kam unter den Zuschauern auf, und auch einige Ratsherren räusperten sich vernehmlich.
    Scheller sah hoch, als würde er sich erst in diesem Augenblick wieder gewahr, wo er sich befand und was seine Aufgabe war.
    »O verzeiht!«, bat er laut. »Ich war mit meinen Gedanken kurz woanders.«
    »Schon gut.« Bürgermeister Doneldey bedeutete ihm mit einem Zeichen seiner Hand nunmehr fortzufahren.
    Das war nicht die Vorlage, die sich der Advokat erhofft hatte. Schnell schritt er zu den Stühlen der Ratsherren hinüber. »Nochmals bitte ich Euch um Entschuldigung, Ihr hohen Herren. Doch wisst Ihr, was mich so nachdenklich macht?«
    Schwungvoll drehte er sich während dieser Frage um und zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf Hanno. »Wie kann einer wie er es wagen, die Bremer für dumm verkaufen zu wollen?«
    Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Erste zustimmende Rufe kamen auf.
    Scheller trat direkt neben Hanno, ließ seinen Blick über die Zuschauer schweifen und machte eine weit ausholende Armbewegung. »Sagt, haltet Ihr all diese Menschen dort wirklich für so dumm?«
    Hanno sah ihn verwundert an und zuckte dann mit den Schultern, er wusste nicht, worauf der Advokat mit seiner Frage hinauswollte.
    Dieser lachte laut auf. »Habt Ihr das gesehen, Ihr braven Bremer. Er weiß es nicht. Er weiß nicht, ob er Euch für dumm verkaufen kann oder nicht.«
    »Aber das habe ich doch gar nicht …«
    Weiter kam Hanno nicht. Der Advokat hob die Hand. »Vielleicht solltet Ihr schweigen, wollt Ihr nicht sogleich Eure eigenen Gebeine dort zischen sehen.« Er deutete mit dem ausgestreckten Arm zum dampfenden Kessel hinüber.
    »Also gehen wir das Ganze noch einmal durch«, fuhr er fort. »Ihr lebtet zur Miete bei der Seifensiederin Margrite, die Euch Hilfe anbot und Euch aufnahm, obgleich Ihr von niemandem eine solche Tat erwarten oder gar verlangen konntet. Ist das richtig?«
    »Ja, Herr.«
    »Und der zu Unrecht Beschuldigte dort drüben, Gawin, lebte ebenfalls eine Zeitlang dort, ist das ebenfalls richtig?«
    Hanno nickte schweigend.
    »Gut.« Wieder wandte er sich den Zuschauern zu und machte eine weitläufige Handbewegung. »So ist nun jedem hier klar, in welchem Verhältnis ihr alle zueinander steht und dass ihr euch kennt.«
    Er verschränkte erneut die Arme hinter dem Rücken und ging auf und ab. Doch diesmal sprach er währenddessen weiter.
    »Sagt mir, Hanno, womit verdient Ihr Euer Geld?«
    Hanno trat unruhig von einem Bein aufs andere. »Dies und das?«
    Der Advokat legte eine Hand an sein Ohr, als hätte er die Antwort nicht verstehen können. »Was sagtet Ihr? Immer wieder sprecht Ihr derart leise, dass das leise Brodeln im Kessel Euch gar übertönt. Also, welcher Arbeit geht Ihr nach, sagtet Ihr?«
    »Ich habe mein Geld mit dem Abladen von Schiffen verdient.« Hannos Stimme klang kräftig, doch er sah, während er sprach, nicht auf.
    »Wirklich? Eine sehr ehrenwerte Aufgabe, wie ich finde.«
    Einige der Zuschauer lachten amüsiert, andere riefen höhnende Worte.
    »Na, na!«, mokierte sich der Anwalt. »Bremen ist eine große Handelsstadt. Wenn die reichen Koggen

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