Die Duftnäherin
aus aller Herren Länder bei uns anlegen und Hilfe dabei erhalten, ihre Ladung zu löschen, sind sie gewiss froh. Ich finde, dass Hanno hier einen wichtigen Dienst leistet.«
Verunsichert, wie sie hierauf reagieren sollten, schwiegen die Menschen und warteten darauf, was der Advokat als Nächstes vorbringen würde.
»Also, Hanno, Ihr entladet Schiffe, schön, schön. Auf jeden Fall besser, als zu stehlen, nicht wahr?«
Wieder lachten einige.
»Und sonst? Habt Ihr auch andere Arbeiten in dieser schönen Stadt verrichtet, seit die Bürgerin Margrite Euch so freundlich Unterschlupf gewährt hat?«
»Ja.«
»Und was waren das für Arbeiten?«
»In der Zimmerei.«
Der Advokat blieb abrupt stehen und drehte sich zu Hanno um. »Tatsächlich? Ihr seid Zimmermann, genau wie der zu Unrecht Beschuldigte?«
»Ich bin in meiner Ausbildung noch nicht so weit wie er«, räumte Hanno ein.
»Nicht? Warum nicht? Ihr seid etwa gleich lang in dieser Stadt und um einiges älter als er.«
Hierauf wusste Hanno nichts zu antworten.
»Wer hat Euch denn Eure Anstellung gegeben?«
»Jordan.« Es war nur ein leises Krächzen.
»Wie bitte? Ihr flüstert schon wieder.«
»Meister Jordan«, platzte er heraus.
»Nein, wirklich?« Der Anwalt tat erstaunt. »Der Meister des zu Unrecht Beschuldigten hat auch Euch bei sich angestellt? Das war sehr nett von ihm.« Er legte den Zeigefinger nachdenklich auf seine Lippen. »Oder auch nicht. Hat er Euch am Ende gar schlechter behandelt als den zu Unrecht Beschuldigten? Hat er Euch nicht angeboten, dort als Lehrjunge in Dienst zu gehen?«
»Doch, hat er.« Wieder sprach Hanno leise, doch diesmal bemerkte er es selbst und wiederholte seine Worte deshalb so laut, dass er sie fast über den Marktplatz hinweg brüllte.
»Tatsächlich? Und hat Euch die Arbeit gefallen?« Es klang spöttisch.
»Nicht besonders.«
»Was glaubt Ihr, woran das lag? Hattet Ihr minderwertigere Arbeiten zu verrichten als der zu Unrecht Beschuldigte?«
»Nein.«
»Sondern?«
Hanno zuckte mit den Achseln. »Was wollt Ihr eigentlich von mir?« Seine Stimme klang verunsichert und zittrig.
»O entschuldigt, ich wollte Euch nicht zu nahe treten.« Die Worte des Anwalts troffen geradezu vor Spott.
Hanno wäre am liebsten davongestürmt. Doch ein rascher Blick zu den Stufen, die vom Podest hinabführten, sowie zu dem guten Dutzend Büttel, die sich rechts und links neben den anderen Zeugen postiert hatten, ließ ihn den Gedanken zu fliehen, sofort wieder verwerfen.
»Nun, dann kommen wir also zu dem Morgen, an dem Ihr zu der Bürgerin Margrite Schonau kamt, um Euer Gewissen zu erleichtern.« Wieder blieb der Anwalt stehen und führte einen Finger an die Lippen. »Da fällt mir ein, wenn Ihr dort des Morgens erst eintraft, wo habt Ihr die Nacht verbracht, da Ihr doch eigentlich im selben Haus wohntet?«
Endlich glaubte Hanno den Moment gekommen, in dem sich die Dinge zu seinen Gunsten wendeten. »Ich konnte nicht dort schlafen, weil sie eine Kranke aufgenommen hatten.«
»Eine Kranke, tatsächlich?« Der Advokat wirkte einen kurzen Moment verunsichert. Doch dann schien er die Entscheidung getroffen zu haben, weiterhin seinem Instinkt zu folgen und die Befragung in die gleiche Richtung fortzusetzen, wenngleich er damit ein Risiko einging, weil er die Antwort auf seine Fragen nicht mehr vorhersehen konnte.
»Ja.«
»Woran war sie erkrankt, und weshalb konntet Ihr deshalb nicht dort wohnen?« Schon als er das Wort »krank« wiederholte, hatten die Menschen erschrocken geschwiegen. Und Scheller wusste ganz genau, über welche Erkrankung sie hier sprachen – ein Umstand, der ihm nur zusätzlich in die Hände spielen konnte.
»An der Pest«, brachte Hanno knapp hervor.
Entsetzt wichen die Zuschauer nun ein Stück vom Podium zurück.
»An der Pest?«, echote der Anwalt. »Und die Bürgerin Schonau hat sich trotzdem um die Arme gekümmert?«
»Ja.«
»Und sie hat Euch auch davor gewarnt, das Haus zu betreten, damit Ihr Euch nicht ansteckt?«
»Ja.«
»Das ist wahrhaft christlich!« Es klang wie ein Siegesruf.
Der Advokat ging zum Rand des Podests, blieb in der Nähe Margrites stehen und verbeugte sich tief. »Meinen Respekt, Bürgerin Schonau. Menschen wie Ihr seid es, die dieser Stadt den Ruf verleihen, so einzigartig und barmherzig zu sein wie keine zweite. Ich danke und verbeuge mich tief vor Euch!«
Jubel und Hochrufe brandeten auf. Die Menschen klatschten und riefen Margrites Namen.
Der Advokatus verharrte
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