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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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Bürgermeister hob beide Hände, um sich erneut Gehör zu verschaffen.
    »Das Verbrechen, welches hier verhandelt wird, muss bis ins Kleinste aufgeklärt werden. Deshalb ist es auch unbedingt notwendig, dass wir uns alle, die wir heute hier versammelt sind, so benehmen, wie es einer solchen Verhandlung geziemt. Sollte dies nicht geschehen, sähe sich der hohe Rat leider dazu gezwungen, den Prozess in den Rathaussaal zu verlegen und euch an der weiteren Verhandlung nicht mehr teilhaben zu lassen.«
    Geflüsterte Unmutsbekundungen kamen auf. Doch wagte keiner offen aufzubegehren. Die Befürchtung, die Verhandlung würde dann sofort, noch ehe sie überhaupt begonnen hätte und man zu seinem Vergnügen gekommen wäre, verlegt werden, war zu groß.
    »Seht euch den Beschuldigten an, ihr Bremer, und hört, was er zu sagen hat. Und seht euch ebenso die Zeugen an und lauscht ihren Ausführungen. Am Ende wird der Rat in euer aller Namen zu einem Urteil kommen, um Recht zu sprechen. Es liegt an jedem Einzelnen von euch, ob es hier auf dem Marktplatz dazu kommt oder nicht.«
    Er drehte sich um und wandte sich Gawin zu.
    »Herr Advokatus, seid Ihr bereit?«
    Scheller erhob sich von seinem Platz. »Das sind wir, Herr Bürgermeister.«
    »Und möchte der Beschuldigte etwas sagen zu den schweren Vorwürfen, die gegen ihn erhoben wurden?«
    »Das möchte er.« Er gab Gawin ein Zeichen, sich ebenfalls zu erheben. Mit gesenktem Kopf folgte dieser der Aufforderung. Er räusperte sich und musste mehrmals schlucken, bevor er einen Ton herausbringen konnte.
    »Nie hätte ich meinem geliebten Meister so etwas angetan – und auch keinem anderen Menschen.« Sogleich setzte er sich wieder, und Advokat Scheller nickte ihm zu.
    »Das ist aber ein gutaussehender Bursche«, hörte Anna eine junge Frau neben sich einer anderen zuflüstern. »Schade um ihn, wenn sie ihn wirklich kochen sollten.«
    Anna warf der Frau einen kurzen Blick zu, wandte sich dann aber wieder dem Geschehen auf dem Podest zu.
    »Die Anklage mag verlesen werden«, hörte sie den Bürgermeister soeben anordnen.
    Ein Mann, den sie nicht kannte, trat vor und verlas darauf die Klageschrift. Wer nicht schon vorher wusste, worum es ging, hätte in dem Stimmengewirr, das nun wieder auf dem Platz aufkam, nichts von dem verstanden, was vorgetragen wurde. Anna mühte sich ruhig zu bleiben, bis der erste Zeuge, ein Mann namens Leupold, endlich aufgerufen wurde. Er erschien auf dem Podium und ratterte seine Aussage herunter. Nicht nur Anna kam es dabei so vor, als hätte er seine Worte auswendig gelernt, denn sie hörte die Frau von vorhin und einen Mann rechts von ihr eine Bemerkung in diese Richtung machen. Gawin warf der Zeuge dabei keinen Blick zu, nicht einmal, als er an ihm vorbeischlich und die Treppen zum Podium wieder hinabstieg.
    Genauso verhielt es sich auch mit den anderen Zeugen, weshalb Anna nach einer Weile den Aussagen auch nur noch mit halbem Ohr zuhörte. Erst als Hanno erschien, schenkte sie dem Geschehen wieder ihre volle Aufmerksamkeit. Er begann zu sprechen, und seine Angaben unterschieden sich in nichts von denen seiner Vorredner. Durch die Menge hindurch suchte sie seinen Blick und glaubte auch, dass ihrer beider Augen sich kurz begegnet wären. Denn Hanno senkte darauf sofort das Haupt und sah zu Boden, als ob er der Verachtung, Wut und Enttäuschung in ihrem Blick nicht habe standhalten können. Ein Gefühl der Genugtuung erfüllte sie, während die Zuschauer erneut zu raunen und zu tuscheln begannen. Alles schien gesagt, nun wartete man darauf, was als Nächstes geschehen würde.
    Bürgermeister Doneldey baute sich erneut gut sichtbar vor der Menge auf. »Dies waren nun die Zeugen, die gegen den Beschuldigten sprachen.« Er vollführte eine Halbdrehung. »Herr Advokatus, gibt es hierzu noch etwas zu sagen?«
    Scheller erhob sich.
    »Eine ganze Menge, Herr Bürgermeister. Aus diesem Grunde möchte ich die Zeugen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal befragen. Für den Moment jedoch rufe ich die Seifensiederin Margrite Schonau auf, eine Bürgerin dieser Stadt, die jedem hier als ehrliches und aufrichtiges Weib bekannt ist.«
    Margrite stieg auf das Podest, und Bürgermeister Doneldey setzte sich wieder. Wie gern ich jetzt nur Hannos Gesicht sehen würde, dachte Anna bitter.
    »Wollt Ihr bitte laut und vernehmlich berichten, was Ihr über das Geschehen um die sogenannten Meistermorde wisst, Bürgerin?« Der Advokatus legte die Betonung auf das letzte

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