Die Duftnäherin
stoppte nun ebenfalls und stemmte die Hände in die Hüften.
»Was ist?«, wollte sie wissen.
Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne einen Laut von sich zu geben.
Sie machte einen raschen Schritt auf ihn zu. »Jetzt pass mal auf, Gawin! Ich habe dich nicht darum gebeten mich zu begleiten. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich nicht. Wir können gut ohneeinander auskommen. Wenn es dir lieber ist, in dem Kloster weiter an deiner Holzfigur zu arbeiten, dann geh zurück. Sag einfach, dass ich unvermittelt bei dir aufgetaucht bin und dich dazu bewegen wollte mich zu begleiten, du dich aber dagegen entschieden hast.«
»Aber ich …« Mehr brachte er nicht heraus.
Sie trat einen Schritt zurück. »Du kannst das übrige Essen für den Rückweg behalten. Ich werde jetzt weitergehen. Und ich werde nicht mehr auf dich warten.« Sie machte auf dem Hacken kehrt und ging schnellen Schrittes davon.
»Warte!«
Anna reagierte nicht.
»Warte!«, rief Gawin erneut, doch weder antwortete sie ihm, noch verlangsamte sie ihren Schritt.
»Verdammt!«, entfuhr es ihm. Eilig rannte er Anna nach, bis er zu ihr aufgeschlossen hatte. Gemeinsam hetzten sie weiter voran, als wäre ein Verfolger hinter ihnen her. Gawin war völlig außer Atem, nachdem er im Laufschritt eine Anhöhe erklommen hatte. Da blieb Anna so plötzlich stehen, dass er sie fast umgerannt hätte.
»Was ist?«, fragte er keuchend.
Das Gesicht der jungen Frau entspannte sich. Glücklich lächelte sie ihn an.
»Da«, hauchte sie und deutete mit der Hand geradeaus.
Gawins Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm.
»Bremen«, fügte sie hinzu und schluckte. »Dort vorn liegt Bremen.«
Gawin sah die Freudentränen in ihren Augen, und obwohl er nicht wusste, weshalb, trat er nun an sie heran und nahm sie in den Arm.
»Ja, Bremen«, bekräftigte er und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Unser neues Zuhause.«
Es donnerte kräftig, als Margrite den Ochsenkarren durch das Stadttor von Bremen führte. Sie musste ihren Schritt verlangsamen, weil eine junge Frau vor ihr staunend die Steine des Torbogens betrachtete und ihr dadurch den Weg versperrte.
»Nun geht schon weiter«, forderte Margrite sie schroff auf.
Der Begleiter der Frau trat sofort einen Schritt zurück und zog diese sanft mit sich.
»Komm schon, Anna, wir halten die Händler auf«, hörte Margrite den jungen Mann sagen.
Das Mädchen sah Margrite darauf an und stammelte hastig eine Entschuldigung. Dann eilte sie mit ihrem Begleiter davon.
»Auch wenn wir schon anstrengendere Reisen hinter uns haben, kann ich es diesmal kaum abwarten, endlich nach Hause zu kommen«, stellte Anderlin fest.
»Wir werden eben älter, mein Guter«, rief Margrite ihm über die Schulter zu.
Hanno zog seine Flöte hervor und spielte eine irische Melodie. Sie war fröhlicher als die Klänge, die er dem Instrument während ihrer Wanderung entlockt hatte, und schien Margrites Schritte sofort um einiges leichter und schwungvoller werden zu lassen.
»Otto und ich, wir gehen jetzt unserer Wege«, erklärte Wolfker. »Es sei denn, ihr braucht uns noch.«
»Nein«, meinte Anderlin. »Ihr könnt ruhig gehen. Aber versauft und verhurt nicht gleich alles, was ihr verdient habt. Die Wintermonate können lang werden ohne Geld.«
Wolfker lächelte. »Wir werden sehen, dass wir im ›Roten Ochsen‹ unterkommen. Wenn ihr Arbeit für uns habt, lasst nach uns schicken.«
Anderlin nickte, worauf die beiden ihnen allen noch einmal zunickten und dann nach rechts in eine Gasse abzweigten.
»Was ist mit dir, Binhildis?«, wollte Anderlin wissen.
»Sie wird vorerst bei mir wohnen«, antwortete Margrite an Binhildis’ Stelle. »Für den Anfang reicht es, wenn sie ihr Essen bezahlt und mir ein bisschen bei der Seifenherstellung hilft. Danach sehen wir weiter.«
»Hast halt doch ein gutes Herz«, urteilte Anderlin.
»Ach, red doch nicht!« Margrite machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Könnte ich ebenfalls bei dir unterkommen, bis ich etwas anderes gefunden habe?«, bat Hanno.
»Sei’s drum. Eine Hure, ein Händler und eine Seifensiederin unter einem Dach. Da fällt ein Spielmann kaum noch auf.«
Hanno grinste und setzte die Flöte wieder an seine Lippen. Die Melodie, die er spielte, war noch fröhlicher als zuvor, außerdem machte er nun auch noch Tanzschritte zur Musik und vollführte kleine Drehungen vor Margrite, die darauf laut zu lachen begann. Sie freute sich darauf, in wenigen Augenblicken ihr Haus zu betreten,
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