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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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herüber.
    Gawin ging zurück in die Werkstatt. »Draußen ist eine Streiterei im Gange, Meister!«, rief er dem Alten zu.
    »Eine Streiterei? Worüber?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Dann geh und finde es heraus. Und sag ihnen, sie sollen sich woanders zanken. Bei dem Geschrei kann ja keiner arbeiten.«
    »Ist gut, Meister.«
    Gawin ging zurück und blieb neben Hanno stehen. »Hast du mitbekommen, worum es geht?«
    Als der darauf den Kopf schüttelte, gingen sie gemeinsam zu den Leuten hinüber, die sich nur wenige Schritte vor ihnen versammelt hatten.
    »Was ist hier los?«, fragte Gawin eine Frau, die am Rande stand und ihren Hals reckte, um alles mitbekommen zu können.
    »Einer von ihnen soll die Pest eingeschleppt haben«, erklärte die Frau. »Er soll im Auftrag des Grafen Moritz von Oldenburg gehandelt haben.«
    »Wer ist das?«, fragte Gawin, der zwar meinte, diesen Namen schon einmal gehört zu haben, ihn aber keiner bestimmten Person zuordnen konnte.
    »Na, das ist der Erzbischof, den sie aus der Stadt gejagt haben.«
    »Und weshalb sollte der so etwas tun?«
    »Was weiß denn ich?« Die Frau zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder den Streitenden zu, um nicht noch mehr von der Auseinandersetzung zu verpassen.
    Gawin und Hanno machten kehrt und gingen zur Werkstatt zurück, an deren Tür sie bereits von Jordan erwartet wurden.
    »Und? Was hat es nun mit diesem Geschrei auf sich?«
    »Offenbar gibt es einige Pestfälle in der Stadt. Der Gegenbischof Moritz von Oldenburg soll dafür verantwortlich sein.«
    Jordan fuchtelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. »Ach was, die Pest! Immer schreien sie etwas von Pest und Verrat, um die Ordnung zu erschüttern. Pah!«
    Er winkte ab, drehte sich um und ging wieder hinein. Gawin und Hanno warfen sich einen fragenden Blick zu, dann folgten sie dem Alten in die Werkstatt und nahmen ihre Arbeit wieder auf.

    »Wir müssen besonnen vorgehen«, urteilte Siegbert von Goossen, und die Ratsmitglieder pflichteten ihm mit behäbigem Kopfnicken bei.
    Noch in der Nacht hatte den Bürgermeister die Nachricht erreicht, dass es eine Schlägerei in einer der großen Schänken gegeben hatte, bei der fast die gesamte Einrichtung zertrümmert worden war. Der Wirt hatte es nach einiger Zeit aufgegeben, sich immer wieder zwischen die beiden Aufrührer zu stellen, um dadurch das Schlimmste zu verhindern. Stattdessen hatte er seinen Sohn und sich selbst lieber in Sicherheit gebracht und nach den Stadtbütteln schicken lassen. Erst nur zu zweit, hatten auch diese schnell einsehen müssen, dass sie dem tobenden Mob keinen Einhalt gebieten konnten. Die Stimmung war bereits zu aufgeheizt, die Streithähne zu allem entschlossen.
    Der Streit war entbrannt, nachdem ein Gast den Wirt beschuldigt hatte, einem Pestteufel Unterschlupf gewährt und damit alle Bremer in Gefahr gebracht zu haben. Dessen Beteuerungen, dem Mann die Krankheit nicht angesehen zu haben, gingen in wüsten Beschimpfungen unter. Die Frage, wessen Schuld denn nun die größere sei, die des Schänkenpächters oder die des Pestopfers, wurde lautstark erörtert. Immer mehr Leute beteiligten sich an der Auseinandersetzung. Bis schließlich ein Greis, der sonst stets still in einer Ecke der Schänke sein Bier trank, das Fass zum Überlaufen brachte. Mit einem jämmerlichen Klagelaut zog er augenblicklich die Aufmerksamkeit aller auf sich.
    »Ich habe ihn gesehen!«, schrie er heraus.
    Nach einem Moment der Stille fragte der Wirt: »Wen hast du gesehen?«
    Der Alte presste die Lippen aufeinander und erhob sich langsam von der Bank. Sein Körper begann zu zittern, bis er förmlich bebte. Speichel lief aus seinem Mund. »Der Dämon war hier und hat euch befragt. Jeden Einzelnen von euch!«
    In seinen Augen schien mittlerweile der Wahnsinn Einzug gehalten zu haben.
    »Der Dämon war da und hat euch alle geprüft.« Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Die Pest ist sein Urteil über euch unwürdiges Pack! Ein jeder hier ist des Todes!« Die letzten Worte schrie er wieder heraus, schubste einen Gast zu Boden, einen anderen schlug er mit Händen und trat wild um sich.
    Darauf brach ein wildes Handgemenge aus, bei dem am Ende jeder auf jeden einschlug. Sechs Männer wurden später von den herbeigerufenen Bütteln als die Hauptschuldigen ausgemacht. Der alte Mann befand sich nicht unter ihnen. Er hatte sich irgendwann, während die Schlägerei noch in vollem Gange war,

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