Die Duftnäherin
Antwort entnehmen. »Du hast recht«, lenkte sie ein. »Wir können nicht immer fortlaufen.«
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Mit einer zärtlichen Geste legte er seine Hand an ihre Wange. »Es wird schon werden. Mach dir nicht zu viele Sorgen.«
Sie schlug die Augen nieder und presste die Lippen aufeinander. Seine behutsame Berührung bewegte sie tief, und sie musste gegen die Tränen ankämpfen, die ihr in die Augen traten. Schnell drehte sie sich um und nahm sich einen der Krüge, die auf dem Regal standen. »Dann werde ich jetzt Anna holen und Seife herstellen. Schließlich müssen wir etwas zu verkaufen haben.« Mit diesen Worten ging sie hinaus, ohne ihn noch einmal anzusehen.
Anna schnupperte und schloss die Augen, als Margrite die Holzschale mitsamt ihrem duftenden Inhalt behutsam mit einem Leinentuch bedeckte.
»Wann wird die Masse getrocknet sein?«
»Es braucht einen ganzen Tag«, erklärte die Seifensiederin. »Wir stellen die Schale samt Masse hier ab und lassen sie ruhen. Morgen wirst du dann das erste Stück Seife in den Händen halten, das du selbst hergestellt hast.«
Anna strahlte sie an. »Ich kann es noch gar nicht richtig fassen. Und kaum noch erwarten«, fügte sie schnell hinzu. »Ich habe Seife gesiedet.«
»Ganz recht.« Margrite lächelte die Jüngere an. Ihre überschäumende Freude wirkte ansteckend, und sie war froh, das Mädchen bei sich aufgenommen zu haben. Es war fleißig und neugierig, lernte schnell und half darüber hinaus auch im Haushalt, um seinen Teil zum Lebensunterhalt beizutragen.
Noch einmal schnüffelte Anna an der duftenden Masse und wandte sich dann Margrite zu. »Ich habe außerdem mein erstes Kleid fertig. Möchtest du es sehen?«
Die Hauswirtin war überrascht. »Du bist fertig? Wie hast du das denn neben deiner sonstigen Arbeit geschafft?«
Anna lächelte. »Des Nachts, wenn alle schliefen und es im ganzen Haus ruhig war, habe ich mir eine der Talgleuchten genommen und genäht. Heute in der Früh bin ich fertig geworden.«
»Du bist sehr fleißig«, lobte sie Margrite. »Es wäre mir eine Freude, das Kleid zu sehen.«
Ohne ein weiteres Wort huschte Anna aus dem Raum und kam einen Augenblick später mit einem Gewand über dem Arm zurück. »Ich weiß, es ist ein bisschen zu aufwendig gestaltet«, gab sie zu.
»Für die Arbeit ist es tatsächlich nicht geeignet«, meinte die Ältere nach einer kurzen Betrachtung. »Aber Anna, es ist wunderbar geworden!« Sie trat näher und strich vorsichtig über den Stoff. »Du hast dir viel Mühe mit der Borte gegeben. Und diese Form.« Bewundernd ließ sie ihre Hände über das Kleid wandern. »Es ist etwas ganz Besonderes«, urteilte sie dann.
»Es ist für dich«, sagte Anna leise.
»Für mich?« Margrite trat einen Schritt zurück. »Das kann ich nicht annehmen. Ich weiß, wie lange Gawin arbeiten musste, damit ihr den Stoff kaufen konntet.«
»Und du hast uns bei dir aufgenommen, ohne Gewissheit zu haben, ob wir dir je zurückzahlen werden, was wir dir schuldig sind.« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Wir haben dir so viel zu verdanken. Bitte, nimm es und sag mir, ob es passt. Es würde mir mehr bedeuten, als ich sagen kann.«
Die Seifensiederin zögerte noch einen Moment, dann lächelte sie, ging auf Anna zu und umarmte sie herzlich. »Gib her, ich werde es sofort probieren.«
Glücklich erwiderte Anna ihre Umarmung, legte dann das Gewand über eine Stuhllehne und half Margrite dabei, die Schnüre an ihrem Kleid zu lösen. Eilig streifte diese das alte Kleid ab und hob auffordernd die Arme, um sich das neue überstreifen zu lassen.
»Hoffen wir nur, dass dein Auge nicht zu schmeichelnd und der gestrige Braten nicht zu fett war«, scherzte sie.
Sanft glitt der Stoff über ihre Schultern und fand wie von selbst den Weg über ihre Hüften, bevor er mit einem leisen Rauschen ihre Beine hinabglitt.
»Beim Herrn«, entfuhr es Margrite, »wie gut sich das anfühlt!«
Anna schloss eilig und mit geschickten Händen die Schnüre am Rücken der Freundin und trat vor sie hin. Sie war offensichtlich zufrieden mit dem, was sie sah.
»Du siehst wunderschön aus.«
Ein Schauer überlief Margrites Körper. Noch nie hatte sie eine solche Rührung empfunden wie in diesem Moment. Glücklich zog sie die Jüngere an sich und drückte sie herzlich. »Und du bist sicher, dass du dieses wunderbare Gewand nicht verkaufen willst? Darf ich dir wenigstens Geld dafür geben?«
Anna schüttelte entschieden den Kopf.
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