Die Duftnäherin
Tür frei. Der Patrizier nahm Umhang und Kopfbedeckung ab und legte sie auf eine große, eisenbeschlagene Truhe im Eingang.
»Wenn Ihr mir bitte folgen wollt. Herr Cornelius erwartet Euch im Kontor.«
»Euer zweiter Gast, Herr«, sagte der Diener, nachdem er zuerst geklopft hatte und dann in das Kontor des Patriziers eingetreten war.
»Danke, Baldewin.«
Wyland betrat den Raum und sah, dass neben ihm noch der Ratsherr Albrecht Schürer zu Gast war. Sofort schloss der Diener die Tür von außen.
»Danke, dass du so schnell gekommen bist.« Cornelius war ihm entgegengetreten und reichte ihm die Hand.
»Albrecht, Wyland, seid mir hiermit in meinem Haus willkommen. Ich war etwas überrascht, wie dringlich ihr dieses Treffen gemacht habt.«
»Du wirst gleich erfahren, weshalb«, kündigte Albrecht an und berichtete sogleich, in welchem Zustand er den aufrührerischen Prediger im Kerker vorgefunden hatte, nachdem der Henker ihm eine Nachricht geschickt hatte.
Wyland setzte sich benommen auf die Kante eines Stuhls, während Cornelius ihm ein mit Wein gefülltes Glas reichte.
»Als Albrecht mir davon berichtete«, meinte Letzterer und nahm dann ebenfalls Platz, »war mir sofort klar, dass jemand mit dieser Tat unbedingt verhindern wollte, dass sein Name während des Verhörs fällt.«
Wyland war noch immer zu betroffen, um einen klaren Gedanken fassen zu können.
»Aber wie …?«, begann er und nahm dann seine Frage wieder auf, »… wie konnte überhaupt jemand außer dem Henker und den Wachen in den Kerker gelangen? Was hat der Henker dazu gesagt?«
Albrecht hob die Schultern. »Er hatte keine Ahnung. Und ehrlich gesagt, habe ich ihm das geglaubt. Er machte auf mich einen derart verstörten Eindruck, dass ich nicht annehme, dass er irgendwie in der Sache mit drinsteckt. Abgesehen davon wäre das auch zu offensichtlich.« Er nahm einen Schluck aus seinem Becher.
»Wer hat sonst noch Zugang?«
»Hm«, brummte Albrecht, »nur der Schlüsselmeister und die Wachen, wie gesagt.«
»Traut ihr Ersterem eine solche Tat zu?«, fragte Wyland.
Cornelius lachte kurz und freudlos auf. »Das ist, so wie Albrecht ihn mir geschildert hat, wohl ausgeschlossen. Dieses kleine Männlein von Schlüsselmeister soll einen gestandenen Kerl umbringen, indem er ihn zuerst würgt und ihm dann den Hals bricht?« Er nahm einen großen Schluck. »Im Leben nicht.«
»Trotzdem müssen wir ihn befragen«, meinte Wyland. »Und ebenso die Wachen.«
»Das in jedem Fall«, stimmte Albrecht ihm zu.
»Jemand aus dem Rat muss für die Tat verantwortlich sein«, brach es aus Cornelius heraus, der dabei das Bild seines Bruders vor Augen hatte.
»Wie kommst du darauf?«
»Nur die Ratsmitglieder wussten um den Beschluss, dass eine peinliche Befragung bevorsteht.«
Albrecht nickte. »Was uns in unserer Vermutung bestätigt, dass es auch einen Auftraggeber für das Schauspiel vor dem Dom gegeben haben muss.«
»Was glaubt ihr, von wem wir hier sprechen?«, fragte Cornelius. Er scheute sich, den Namen seines Bruders selbst ins Spiel zu bringen. Auffordernd sah er die beiden anderen an.
Wyland räusperte sich. »Da kämen einige in Frage«, meinte er zögerlich. »Viele haben sich Geld von den Juden geliehen. Ich selbst habe sehr viele Geschäfte mit ihnen gemacht …«
»… bist ihnen dabei aber vermutlich nichts schuldig geblieben«, vollendete Cornelius seinen Satz. Seine Ungeduld, endlich eine klare Antwort zu erhalten, war spürbar.
»Richtig«, bekräftigte Wyland und warf einen Blick auf Albrecht, der sich seine eigenen Gedanken zu machen schien. »Dann sage ich jetzt freiheraus, was ich denke«, meinte der Patrizier schließlich und sah Cornelius direkt an. »Verzeih mir, Cornelius, doch ich glaube, dass dein Bruder in die Sache verwickelt ist.«
Cornelius atmete deutlich hörbar aus. Dann nickte er. »Genau das glaube ich auch, wollte es aber nicht als Erster aussprechen.«
Erleichterung stellte sich nach diesem Bekenntnis bei jedem der drei Männer ein.
»Was wollen wir jetzt tun?«, fragte Albrecht.
Sie beratschlagten mehrere Möglichkeiten. Während Wyland den Rat einberufen wollte, um ihre Anschuldigungen direkt vor diesem vorzubringen, schlug Albrecht vor, erst einmal mit dem Schlüsselmeister zu sprechen. Cornelius hingegen wollte den Henker davon in Kenntnis setzen, dass sie eine Verschwörung vermuteten und er deshalb keinesfalls jemand vom Tod des Gefangenen berichten durfte. Je länger der Rat und das Volk glaubten, dass
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