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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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ruhiger Stimme gesprochen. Er habe ihm gesagt, dass er eine Axt im Rucksack dabei habe, so scharf, dass er ihn damit rasieren könne. Ob ihm das vielleicht gefallen würde? Wenn er ihm den Pelz rasieren würde? Denn genau das würde er machen, nachdem er ihm mit der Axt die Brust geöffnet und das Herz herausgerissen habe. Ganz ruhig habe er das gesagt. Dass er ihm sein schönes Bärenfell gänzlich rasieren und ihn dann nackt im Wald liegen lassen würde. Ob ihm das gefallen würde. Nackt im Wald, ohne Herz. Das habe er ihm genau so erklärt, mit fester Stimme, bloß damit das auch klar sei. Worauf sich der Bär ängstlich entfernt habe, seitlich ins Erlengebüsch. Es habe dem Bären nicht in den Kram gepasst, aber er sei brummend verschwunden, und er, Rimmel sei unbehelligt in die andere Richtung gegangen.
    Davon erzählte der schmächtige Rimmel, während er auf dem Weg zur Mühle voranging und ihm die Brüder Bonadurer, beide um einiges größer und schwerer als er, schweigend folgten.
    Die Geschichte klang nicht besonders glaubwürdig. Bären gab es bei ihnen zwar genug. Hansmartin hatte auch schon einen gesehen, auf der Alp Brünn, aber nur von weitem. Rimmel war ein Schwätzer und Aufschneider. Seinen Geschichten konnte man nicht trauen, harmlos war er deswegen aber nicht.
    Der ältere Bonadurer dachte an die Kreuzotter, die gestern auf dem Heu in der Sonne gelegen hatte. Ein kleines, aber gefährliches Tier. Bonadurer hatte sie mit dem Stiel des Holzrechens angehoben und an die Stallwand geschleudert. Dann hatte er die Axt geholt und ihr den Kopf abgeschlagen. Er wusste nicht, wieso ihm das jetzt einfiel. Aber wenn Rimmel ein Tier wäre, dachte Bonadurer, dann eine Kreuzotter. Klein und gefährlich giftig.
    Nach einer halben Stunde stießen sie auf eine große Lichtung, die vom Mond beschienen wurde. Etwas oberhalb des Weges waren zwei Gebäude zu erkennen. Die Mühle und, ein Steinwurf daneben, ein Stall. Der Stall lag dunkel da, in der Mühle zeichnete sich der schwache Lichtschein eines Fensters ab.
    Sie blieben stehen und betrachteten eine Weile lang schweigend das Anwesen.
    Dann drehte sich Rimmel zu seinen Begleitern um. Wie wir es besprochen haben, sagte er. Ich gehe voran, und ihr wartet, bis ihr mein Licht seht.
    Die beiden Brüder brummten ein undeutliches Einverständnis.
    Es gibt aber noch, sagte Rimmel, ein allerletztes Problem.
    Die beiden warteten.
    Geld, sagte Rimmel. Ich habe keinen einzigen Bluzger mehr und kann beim Müller auch nichts mehr anschreiben lassen.
    Ich habe auch nichts, sagte der jüngere Bonadurer sofort.
    Wir finden in der Mühle Geld, sagte Rimmel, aber zuerst müssen wir etwas ausgeben, sonst kann ich nichts machen. Hansmartin, wie ist es mit dir?
    Der ältere Bonadurer befingerte eine einzelne Münze in der Hosentasche. Durch sein Zögern hatte er sich bereits verraten.
    Ohne Geld kein Schlummertrunk, sagte Rimmel, kein schlafender Müller, kein Sack Reis.
    Einen Batzen hab ich, den brauch ich aber –
    Du wirst ihn wiederbekommen. Und noch einiges dazu, sagte Rimmel. Hundert Batzen bekommst du für den einen zurück, sogar Gulden gibt es heute Nacht.
    1 Batzen war 4 Kreutzer wert. 60 Kreutzer waren 15 Batzen oder auch 1 Gulden. 8 Gulden und dreißig Kreutzer waren 10 Schweizer Franken. 20 Pfennige waren ebenfalls 4 Kreutzer oder 40 Heller oder 1 Batzen. So einen Batzen, es war sein einziger, streckte Hansmartin nun im Dunkeln aus. Er spürte, wie Rimmel ihn von seiner Handfläche klaubte, und hörte ihn sagen: So machen wir’s.
    Dann schauten sie Rimmel hinterher, wie er über die Wiese auf die Mühle zuging.
    16 Hostetter und Rauch saßen nebeneinander auf dem harten Kopfsteinpflaster, die Rücken an die Mauern des Sennhofs gelehnt. Sie konnten nicht wissen, dass aus dem Sennhof mit der Seifensiederei in der Zwischenzeit die erste kantonale Strafanstalt geworden war. Sie wunderten sich, dass sie eingeschlossen waren, wollten aber keinen Lärm schlagen und niemanden aus dem Bett holen. Es war Sommer, die Nacht warm. Wenn sie sich ihre Heimkehr auch anders vorgestellt hatten, war es nicht wirklich schlimm, noch ein wenig darauf warten zu müssen. Die Freude würde morgen umso größer sein.
    Die beiden Männer hingen mit geschlossenen Augen ihren Gedanken nach. Hostetter freute sich auf die väterliche Viehhandlung und hoffte, morgen ein schönes Pferd vorzufinden, das er vor ein Cabriolet spannen und durch die Stadt lenken konnte, ein feuriges Karossierpferd, groß,

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